Die jüngsten sind sie nicht mehr, die drei Inhaberinnen der Goldschmiede Arlesheim, und sie denken langsam ans Aufhören. Vor ein paar Monaten hat sich ein junger Goldschmied bei den drei Damen eingemietet. Dieser wird das Atelier voraussichtlich übernehmen. Überstürzt werden soll jedoch gar nichts.
„Dank Stephan Wendler sind wir in der komfortablen Lage, uns ganz gemächlich aus dem Berufsleben zurückzuziehen“, erklärt Theresa Aeschlimann (63), eine der drei Inhaberinnen der Goldschmiede Arlesheim in der gleichnamigen Gemeinde. Zusammen mit Ursula Sommer (66) hat sie 1991 in Dornach ein Goldschmiede-Atelier gegründet. Etwas später kam Astrid Brient (62) dazu. Sie war erst Angestellte und bald darauf Mitinhaberin. Die drei Goldschmiedinnen mussten feststellen, dass ihr Geschäft wegen der eher ungünstigen Lage zu wenig Laufkundschaft anzuziehen vermochte.
Etwas später kam es in der Nachbargemeinde Arlesheim zur Schliessung einer Bäckerei. Der Eigentümer kontaktierte die Frauen und fragte sie, ob sie Interesse am Ladenlokal hätten. Dies mussten sie sich nicht lange überlegen. Schon bald darauf zogen sie um und lebten sich am neuen Ort schnell ein. Dank der Lage im Dorfkern erlebte das Geschäft schon bald einen Aufschwung. „Das hat uns gezeigt, dass die Situierung eine grosse Rolle spielt. Der Umzug war das einzig Richtige“, erinnert sich Theresa Aeschlimann.
Grosses Steinlager
Vor rund vier Jahren kamen die Damen auf das Thema Älterwerden. „Wir waren uns einig, dass es perfekt wäre, wenn jemand die Goldschmiede weiterführen würde“, erzählt Theresa Aeschlimann. „Auch unser umfangreiches Farb- und Edelsteinlager wollten wir gerne jemandem weitergeben, der dieses zu schätzen weiss. Die Infrastruktur beinhaltet alles, was es braucht – nur dafür kann man ja kaum noch einen anständigen Preis verlangen, das war uns damals schon bewusst.“ Im Februar dieses Jahres schaute eines Tages Goldschmied Stephan Wendler vorbei. Der 35-Jährige war auf Arbeitssuche und fragte nach einer Möglichkeit, bei den Frauen einzusteigen. Mit den Gedanken einer Übergabe im Hinterkopf, liessen sich die drei Goldschmiedinnen auf
dieses „Experiment“ ein. „Wir wollten das einfach mal ausprobieren, hatten keine Ahnung, ob die neue Konstellation funktionieren würde. Aber es hat von Anfang an gut geklappt“, sagt Theresa Aeschlimann. Schon während einer Probezeit von zwei Wochen habe sich gezeigt, dass das eine gute Idee war. Vielleicht hätte auch die Tatsache, dass alle vier die Rudolf-Steiner-Schule besucht hätten, etwas damit zu tun. „Zudem ist Stephan mit vier Schwestern aufgewachsen. Er ist sich also gewohnt, Frauen mit verschiedenen Charakteren im Umfeld zu haben“, sagt die Goldschmiedin.
„Auch unser umfangreiches Steinlager wollten wir gerne jemandem weitergeben, der dieses zu schätzen weiss. Die Infrastruktur beinhaltet alles, was es braucht – nur dafür kann man ja kaum noch einen anständigen Preis verlangen, das war uns damals schon bewusst.“
Theresa Aeschlimann
Gegenseitig profitieren
Heute hat sich Stephan Wendler in der Goldschmiede Arlesheim eingemietet. Er arbeitet auf eigene Rechnung und bezahlt ein Viertel der Fixkosten. So kann er langsam anfangen, ohne sich gross verschulden zu müssen. Man könne gegenseitig voneinander profitieren, ist auch er überzeugt. „Theresa und Ursula beherrschen beispielsweise die spezielle Treibtechnik, die man Kleinodienkunst nennt“, sagt er. Diese und weitere alte Techniken finde er interessant und es sei schön, dass er sie erlernen könne. Umgekehrt kümmert er sich um Laserarbeiten und CAD Technik. Dass das Handwerk im Vordergrund stehen soll, darüber sind sich die Frauen und der Goldschmied einig. Die Webseite wird gemeinsam gestaltet.
Die Kundschaft der Goldschmiede wurde durch die Präsenz von Stephan Wendler bunter. Naturgemäss zieht er vermehrt jüngere Leute an. Er fertigt am liebsten eher feine Schmuckstücke, was sich mit den Angeboten der Frauen bestens ergänzt, denn diese haben es gerne etwas opulenter. Im Übergabeprozess befinde man sich erst am Anfang. Voraussichtlich wird Stephan Wendler
die Goldschmiede auf Anfang 2026 übernehmen. Die Frauen ziehen sich langsam zurück, so dass genügend Arbeit für Wendler bleibt. Sie wollen gestaffelt aufhören. In den verbleibenden zwei Jahren will Wendler noch so viel wie möglich vom Erfahrungsschatz der drei Goldschmiedinnen profitieren. Alle geniessen es, keinen Zeitdruck zu haben. „Im ganzen Ablösungsprozess haben uns bisher die Ratschläge von Berufskollegen geholfen. Ob wir doch noch professionelle Beratung beiziehen werden, ist offen.“, sagt Theresa Aeschlimann. Die vier Beteiligten betrachten ihre komfortable Situation als Glücksfall. Sie sind überzeugt, dass alles gut kommt und sie bleiben in Bewegung.
Daniela Bellandi