Share

Das Basler Messehuhn

Die Baselworld wird auch 2022 nicht stattfinden. „Der Markt für eine B:B:C-Plattform, die mittlere und spezialisierte Hersteller mit unabhängigen Retailern zusammenbringt, ist vorhanden. Aber ihre Bedürfnisse müssen genauer analysiert werden. Dafür müssen wir uns deutlich mehr Zeit nehmen“, so Beat Zwahlen, CEO der MCH Group, in der Medienmitteilung vom 12. November. Am gleichen Tag gab er gegenüber Radio SRF (Regionaljournal Basel/Baselland) zu verstehen, dass der Entscheid auch eine Folge mangelnder Marktresonanz gewesen sei. Wenn man mit einem neuen Format antrete, und in diesem Fall auch für eine Community, die nicht mehr die gleiche sei, wie vorher, brauche es in einer unsicheren Zeit wie jetzt mit Covid sehr viel mehr Zeit, die Leute von einer Teilnahme zu überzeugen, so Zwahlen. Gleichzeitig gab er auch zu, dass die Resonanz bis dato zu schwach gewesen sei und schlicht und einfach zu wenige Aussteller gekommen wären.

Zwahlen glaubt aber weiterhin an die Marke „Baselworld“. Die Baselworld sei ein wertvoller Brand und zudem sehr bekannt in Asien und den USA, entsprechend wolle man mit ihm weiterarbeiten. Nun sei aber Zeit für ein vollständiges „Reset“ mit einem von Grund auf neu erarbeiteten Konzept gekommen. Eine Idee sei es beispielsweise, mehrere kleine Events durchzuführen, verteilt auf der ganzen Welt, ähnlich wie bei der Art Basel, wo man auch in den USA und Asien präsent ist. Gemäss Zwahlen ist frühestens 2024 mit einer Neuauflage der Baselworld zu rechnen. Ob in Basel oder anderswo, bleibt aber vorerst offen.

Drei Gründe

Die fehlende Zeit als Begründung der neuerlichen Absage ist aber nur ein Teil der Wahrheit. Mindestens drei Gründe wiegen schwerer als die Unsicherheit der (Corona-)Zeit. Der Hauptgrund ist sicher, dass das Magnetfeld der Uhrenwelt sich spätestens seit dem Abgang von Rolex, Patek Philippe und weiteren Marken im April 2020 nicht mehr in Basel befindet. Sämtliche grossen Namen der Uhrenwelt werden Ende März/Anfang April an der Watches & Wonders (WW) in Genf oder in deren Umfeld ausstellen. Selbst eine Basler Marke wie Oris zieht es jetzt nach Genf, weil dort die Musik spielt. Dabei ist es nur verständlich, dass auch die meisten potenziellen Schmuckaussteller Vorteile im WW-Umfeld und nicht in Basel sehen. Zudem haben weitere Veranstaltungen wie die Dubai Watch Week Fahrt aufgenommen. 52 Uhrenhersteller werden dort vom 24. bis 28. November ausstellen, mit Ausnahme der Richemont-Marken sind sämtliche bekannten Namen am Start. Generell wird der Standort Dubai von Branchenkennern als „the place to be“ bezeichnet. Sollte es in den nächsten Jahren in Genf nicht gelingen, einen Anlass ins Leben zu rufen, der auch den Schmuckbereich partnerschaftlich miteinbezieht, könnte in Dubai in naher Zukunft ein Event heranwachsen, der von der Konstellation her mit der ehemaligen Baselworld vergleichbar ist.

Gemäss Beat Zwahlen ist frühestens 2024 mit einer Neuauflage der Baselworld zu rechnen.

Der zweite Grund, der zur neuerlichen Absage führte, ist das schlechte Image der Baselworld, das viele ehemalige Aussteller mit dem Begriff „Arroganz“ auf den Punkt bringen. Dabei hat die Coronazeit dieses während Jahren aufgebaute negative Image nicht verbessert, sondern eher noch zementiert. Die fehlende Bereitschaft der Basler Messegesellschaft, den Ausstellern die Kosten grosszügig zurückzuzahlen, brachte das Fass endgültig zum Überlaufen. Diese fehlende Geste hallt noch jetzt bei vielen kleineren Ausstellern, die potenziell an die Baselworld zurückkehren könnten, als negative Erinnerung nach.

Der dritte Grund schliesslich, über dessen Einfluss man von aussen nur spekulieren kann, ist in den trägen Strukturen der MCH Group zu suchen: „Wo genau innerhalb der grossen MCH-Organisation der Bremsklotz ist, lässt sich von aussen schwierig einschätzen. Aber das Resultat ist eindeutig: Der Supertanker MCH Group war bis jetzt nicht imstande, auf die neuen Anforderungen aus der Branche flexibel zu reagieren.“ So bringt es auch Andrea Martel von der NZZ richtigerweise auf den Punkt.

Ein Ritter auf verlorenem Posten

Die Absage der Baselworld 2022 (und auch 2023!) wird von der MCH Group zudem als Grund genannt, dass Michel Loris-Melikoff, der 2018 als Messedirektor auf Sylvie Ritter folgte, jetzt den Hut nimmt. Loris-Melikoff, so bekam man von aussen den Eindruck, wirkte in letzter Zeit mehr und mehr ernüchtert, weil er wohl einsehen musste, dass er, ein wenig wie der aus der Zeit gefallene Ritter Don Quichotte, einen Kampf zu führen hatte, den andere (Ritter) vor ihm längst fahrlässig verspielt und verloren hatten. Am Ende scheint er es satt gehabt zu haben, eine Suppe auszulöffeln, die andere verbrennen liessen.

So bleibt die nüchterne Feststellung, dass die Baselworld nach 2020 und 2021 nun zum dritten Mal in Folge abgesagt worden ist. Ob sie in der Schweiz, in Basel, oder sonst wo in der Welt, eine Auferstehung feiern kann, ist fraglicher denn je. Tatsache ist nämlich, dass die Baselworld derzeit nicht nur kein greifbares Konzept vorweisen kann, sondern nun auch keinen Messedirektor mehr hat, dem man zutraute, das Blatt zu wenden. So entsteht ein wenig der Eindruck eines Huhns, das kopflos und ohne Orientierung auf dem Basler Messeplatz herumrennt und noch nicht weiss, dass seine Stunde geschlagen hat.

Marcel Weder

Verwandte Themen

Trade

Rekordergebnisse am Messeplatz Deutschland

Die deutsche Messewirtschaft ist mit bemerkenswerten Rekordzahlen zurück. Ist das die Zeitenwende – aber welche?

mehr
Trade

Sommermesse in Hofheim

Im hessischen Wallau ging Ende August die Schmuck- und Uhrenmesse Inova Collection über die Bühne. Die Fachmesse punktet mit Lage, Datum und Konzept und bildet einen wichtigen Ort für den Nachsommer-Einkauf.

mehr
Trade

Volle Hallen und Zukunftspläne

Die Vicenzaoro meldet für September ein vielversprechendes und dichtes Programm und verzeichnet mit 1200 Ausstellern volle Hallen.

mehr