In dieser Ausgabe stellt der Berliner Goldschmied und Gemmologe Andreas Stratmann die einfache Methode vor, wie man mit dem Polariskop einen Edelstein untersucht. Die einzelnen Edelsteinarten werden in Gruppen eingeordnet, denen jeweils eines der sieben Kristallsysteme zugeordnet wird, das charakteristische, unterschiedliche optische Eigenschaften aufweist.
Aquamarin oder hellblauer synthetischer Spinell? Tsavorit, Turmalin oder grünes Glas? Rubin oder Spinell? Zur Beantwortung dieser Fragen ist die Untersuchung mit dem Polariskop hilfreich. Um diese verstehen zu können, muss zunächst erklärt werden, was die Begriffe Lichtbrechung, Einfachbrechung sowie ein- und zweiachsige Doppelbrechung bedeuten.
Einfachbrechung (Isotropie)
Das Fachwort für die Lichtbrechung lautet Refraktion. Ein Lichtstrahl, der in ein optisch dichteres Medium (den Edelstein) eintritt, jedoch nicht senkrecht zur Grenzfläche (Facette etc.), wird zum Lot hin gebrochen. Beim Austritt wird er im Einfallswinkel vom Lot weggebrochen. Die Strahlen laufen in der ursprünglichen Richtung weiter. Diesen Effekt kennt man beispielsweise bei einem Löffel, der in einem Wasserglas verkürzt erscheint. Auch beim Schnorcheln und Tauchen nimmt man dadurch die Abstände zu Fischen oder anderen Dingen im Wasser anders wahr. Man spricht von der Einfachbrechung. Der Fachbegriff lautet Isotropie. Dabei gilt die Regel: Einfallwinkel ist gleich Ausfallwinkel.
Doppelbrechung (Anisotropie)
Der Fachbegriff für die Doppelbrechung heisst Anisotropie. Ein einfallender Lichtstrahl wird im optisch dichteren Medium in zwei Lichtstrahlen in eine Richtung geteilt, wodurch die Farbintensität eines doppelbrechenden (anisotropen) Minerals in eine Richtung schwächer und in die andere stärker erscheint. Im Farbstein entstehen also zwei Lichtstrahlen, ein ordentlicher (ω= Omega) und ein ausserordentlicher (ε = Epsilon), die den Stein getrennt verlassen. Auch hier gilt die Regel: Einfallswinkel gleich Ausfallswinkel.
Beim ordentlichen und beim ausserordentlichen Strahl handelt es sich um polarisiertes Licht. Die Schwingungsrichtungen (Polarisationsrichtungen) dieser Strahlen stehen senkrecht zueinander. Hierdurch sehen wir im Polariskop bei anisotropen Steinen zwischen gekreuzten Polfiltern (in Dunkelstellung) bei Drehung des Steins um 360 Grad viermal eine Aufhellung und viermal eine Abdunkelung. Die Untersuchung des Steins wird in unterschiedlichen Positionen wiederholt.
Prinzip und Aufbau des Polariskops
Ein grüner Turmalin ist beispielsweise doppelbrechend einachsig und ein Tsavorit ist (als ein Farbstein der Granatgruppe) einfachbrechend, was unter anderem auch für Rubin und Spinell gilt. Die Frage, ob ein Edelstein einfachbrechend (optisch isotrop) oder doppelbrechend (optisch anisotrop) ist, ist wichtig und lässt sich mit dem Polariskop beantworten.
Natürliches und polarisiertes Licht: Natürliches Licht ist eine Wellenbewegung, die sich geradlinig ausbreitet und deren Schwingungsrichtungen in unzähligen Ebenen senkrecht zur Ausbreitungsachse liegen. Das Polariskop erlaubt uns, die Wellenbewegung des Lichts nur in einer Ebene senkrecht zur Ausbreitungsrichtung schwingen zu lassen und wir betrachten polarisiertes Licht. Mit Hilfe der zwei drehbaren Polarisationsfilter (dem Polarisator und dem Analysator) lassen sich Edelsteine einer von vier verschiedenen Gruppen zuordnen, wobei der Stein zwischen gekreuzten Polfiltern in Dunkelstellung untersucht wird.
Als Schulungsmaterial zur leichteren Orientierung bei den Übungen mit dem Polariskop wird folgende Aufstellung herangezogen:
A) Regelfall
Kristallsysteme: hexagonal, trigonal, tetragonal, rhombisch, monoklin und triklin
A1) Bei 360 Grad Drehung des Steins um sich selbst: Vier Mal Aufhellung und vier Mal Abdunkelung gleich optische Anisotropie, anisotrop doppelbrechend (ein- und zweiachsig) wie beispielsweise beim Smaragd, Rubin, Saphir, Topas oder Tansanit.
A2) Bei 360 Grad Drehung des Steins: Ständige Aufhellung (Hellstellung), mikrokristallin (pseudokristallin) wie zum Beispiel Bernstein, Feueropal, Achat oder Jadeit bedeutet doppelbrechendes Aggregat.
B) Ausnahmefall
Kubisches Kristallsystem und amorphe Substanzen
B1) Bei 360 Grad Drehung des Steins: Ständige Auslöschung (Dunkelstellung), Isotrop einfachbrechend (kubisches Kristallsystem) wie beispielsweise Diamant, Granat oder Spinell bedeutet optische Isotropie.
B2) Bei 360 Grad Drehung des Steins: Unregelmässige Aufhellung und Abdunkelung (undulöse Auslöschung), Spannungs-Doppelbrechung (amorphe Substanzen) wie beispielsweise Glas oder Kunststoffe (auch synthetischer Spinell) bedeutet anomale Doppelbrechung (Spannungsdoppelbrechung).
Zusätzlich kann eine kleine separate Linse (ein Konoskop) verwendet werden, um beispielsweise zwischen doppelbrechend einachsig und doppelbrechend zweiachsig zu unterscheiden.
Durch das Konoskop wird ein zweidimensionales Bild der dreidimensionalen Interferenzen in einem Mineral sichtbar gemacht. Bei Quarz erscheint ein Spezialeffekt, der „bulls eye“ genannt wird. In Glas können hiermit auch Spannungen sichtbar gemacht werden. Das Finden der Interferenzfigur ist nicht einfach, da sie nur um die optischen Achsen von Mineralien herum erscheinen. Die Erscheinungen sind in synthetischem Korund erfahrungsgemäss oft leichter und deutlicher zu finden als in natürlichem Korund.
Die Frage, ob der Edelstein nun doppelbrechend einachsig oder zweiachsig ist, wird mit dem Dichroskop und den Untersuchungen mit dem Edelsteinrefraktometer beantwortet.
Anstelle eines professionellen Polariskops kann auch auf eine Brille aus dem 3D-Kino zurückgegriffen werden, bei der es sich ebenfalls um Polfilter handelt. Es können auch zwei lineare Polarisationsfilter für die Kamera als Ersatz für ein Polariskop verwendet werden. Die Benutzung zirkularer Filter sollte allerdings vermieden werden. Die 3D-Brille muss lediglich in zwei Hälften getrennt werden. In Kombination mit der Handylampe und einer zehnfachen Einschlaglupe liefert dieser Notbehelf vom Prinzip her das gleiche Ergebnis. Ein Polariskop lässt sich auch aus zwei linearen Polfiltern aus dem Kamerazubehör für das Edelsteinmikroskop herstellen. Manche Mikroskope sind als Polarisationsmikroskop vorbereitet und einige Modelle verfügen über Filterschubladen, die je nach Bedarf beliebige Filter aufnehmen können.
Andreas Stratmann