Unter optischer Aktivität versteht man die Drehung der Ebene von polarisiertem Licht. Licht gehört wie Radiowellen, Ultraviolett, Röntgenstrahlung und so weiter zu den elektromagnetischen Strahlungen. Diese bestehen aus einem elektrischen Feld und einem senkrecht dazu stehenden Magnetfeld.
Elektromagnetische Strahlen jeglicher Art breiten sich im Raum mit Lichtgeschwindigkeit aus. Im Vakuum beträgt ihre Geschwindigkeit rund 300’000 Kilometer pro Sekunde; dies ist die höchste Geschwindigkeit, die überhaupt möglich ist. Die Intensität elektromagnetischer Strahlung wird durch die Amplitude der Schwingungen bestimmt. Ihre Wellenlänge liegt im Fall des sichtbaren Lichts zwischen 400 und 750 Nanometer, was in etwa einem halben Tausendstel Millimeter entspricht. Im Fall von gewöhnlichem Licht sind die beiden gekoppelten Felder in jeder beliebigen Orientierung gegenüber der Propagationsrichtung angeordnet, stehen aber immer senkrecht zu dieser. Das ist mit einem Wasserstrahl mit rundem Querschnitt vergleichbar. Doch bei Licht, das einen besonderen Filter passieren musste (wie z.B. das Glas einer Polaroid-Sonnenbrille), gibt es nur eine spezifische Orientierung; solches Licht bezeichnet man als polarisiert. Das kann man mit einem flachen Band vergleichen.
Nun haben gewisse durchsichtige Stoffe – dazu gehören Lösungen von besonderen organischen Substanzen – die Eigenschaft, diese Orientierung (man spricht von Polarisationsebene, also der Ebene des oben erwähnten Bandes) zu verdrehen: Solche Substanzen bezeichnet man als optisch aktiv. Sie drehen die vom Filter gegebene Polarisationsebene des Lichts um einen bestimmten, materialspezifischen Winkel entweder nach rechts oder nach links. Die Messung dieses Winkels hat eine erhebliche Bedeutung in der Analytik, besonders von Naturstoffen.
Optisch aktiv können organische und bioorganische Substanzen sein, man nennt sie chiral (vom griechischen Wort für Hand). Solche händige Verbindungen müssen ein asymmetrisches Kohlenstoffatom umfassen; es ist mit vier verschiedenen Atomen oder Atomgruppen verbunden. Je nach der Position der Substituenten ergibt sich ein bestimmtes Bild oder sein Spiegelbild, die man als Enantiomere bezeichnet. Vor allem Enzyme reagieren häufig nur mit rechts- oder linksdrehenden Molekülen. Aus diesem Grund bestehen Medikamente in manchen Fällen nur aus einem Enantiomer des Wirkstoffs, denn das andere Enantiomer ist unwirksam, wenn nicht sogar schädlich.
Aufgeprägte Händigkeit
Chirale Stoffe verhalten sich wie die rechte und die linke Hand; ein Handschuh für die rechte Hand passt nicht auf die linke Hand und umgekehrt. Dasselbe gilt für die rechts- beziehungsweise die (seltenen) linksgewundenen Schneckenhäuschen sowie Schrauben mit rechts- oder Linksgewinde. Enantiomere können einander räumlich nicht überlagert werden, in anderen Worten können sie nicht zur Deckung mit ihrem Spiegelbild gebracht werden. Sie drehen die Ebene polarisierten Lichts entweder nach links oder nach rechts. Auch anorganische Kristalle sind optisch aktiv; die bekanntesten Beispiele sind Quarz (Siliciumdioxid) und Calcit (Calciumcarbonat). In diesen Fällen liegt die erforderliche Asymmetrie in der Kristallstruktur. Kristalle mit kubischer Struktur sind symmetrisch und darum grundsätzlich optisch nicht aktiv.
Nun ist es südkoreanischen Wissenschaftern gelungen, optisch aktive Gold-Nanokristalle zu züchten, obwohl Gold im kubisch-flächenzentrierten, hochgradig symmetrischen System kristallisiert. Demnach sollten Goldkristalle keine optische Aktivität aufweisen. Dies wurde trotzdem möglich gemacht, indem die links- oder die rechtsdrehende schwefelhaltige Aminosäure Glutathion (ein Bestandteil zahlreicher Proteine) der Lösung zugegeben wurde, in der Gold-Nanokristalle ausfielen. Die Händigkeit der an der Goldoberfläche adsorbierten Aminosäure (alternativ funktioniert es auch mit optisch aktiven Peptiden, d.h. kurzkettigen Proteinen) wurde demnach den Gold-Nanokristallen gewissermassen aufgeprägt. Bei der Steuerung des Kristallwachstums durch das rechts- oder linksdrehende Glutathion-Enantiomer spielte die starke Affinität des im Glutathion enthaltenen Schwefelatoms für Gold eine wichtige Rolle.
Gespiegelte Würfel
Von den in der Lösung eines Goldsalzes zusammen mit rechts- oder linksdrehendem Glutathion ausgefällten Nanokristallen wird polarisiertes Licht reflektiert. Je nach dem zugegebenen Glutathion-Enantiomer wird die Polarisationsebene dieses Lichts um einen bestimmten Winkel in der einen oder anderen Richtung gedreht; solche Gold-Nanokristalle sind demzufolge optisch aktiv. Der Definition von Enantiomeren entsprechend, sehen optisch aktive Kristalle aus wie Bild und Spiegelbild.
Die Abbildung zeigt dies nicht auf den ersten Blick, doch wird alles klar, wenn man die balkenförmigen Strukturelemente rund um den vierzackigen Stern auf den Würfelflächen vergleicht. Anwendungen dieser neuen Technik könnten sich im Bereich optisch aktiver Materialien und Anzeigesystemen finden. Für katalytische Zwecke müssten ähnliche, optisch aktive Nanokristalle aus den katalytisch besonders aktiven Metallen Platin, Palladium und Rhodium synthetisiert werden können.
Quelle: H.E. Lee et al., Nature 556, 360 (2018)