Er finde den zweiten Lockdown notwendig, aber es müsse der letzte gewesen sein, sagt Robert Grauwiller. Der VSGU-Präsident und sein Team arbeiten mit Hochdruck an den aktuellen Schutzkonzepten und Informationen für die Verbandsmitglieder.
Gold’Or: Robert Grauwiller, wir befinden uns mitten im zweiten Lockdown. Haben Sie damit gerechnet?
Robert Grauwiller: Nicht unbedingt. Der Bundesratsentscheid vom 13. Januar war hart. Ich war in Adelboden in den Ferien und musste gleich damit beginnen, zusammen mit den Kollegen das Schutzkonzept des VSGU anzupassen und die Corona-Meldungen für die Verbandsmitglieder aufzubereiten, damit diese auf dem neusten Stand sind.
Was ist anders als beim ersten Lockdown vor knapp einem Jahr?
Im Frühling 2020 konnten die Goldschmiede, Uhrmacher und Bijoutiers lediglich den Laden aufräumen, die Mitarbeiter schulen oder im Hintergrund ein paar Arbeiten erledigen. Jetzt haben wir mehr Möglichkeiten: „Click and Collect“ ist erlaubt, also das Abholen von Waren vor Ort, aber auch Reparatur- und Unterhaltsarbeiten sind offiziell möglich. Bei diesen dürfen die Kunden in den eigenen Lokalitäten bedient werden, während der Bereich des Verkaufs geschlossen bleiben muss.
Das klingt kompliziert. Wie soll ein Goldschmied wissen, was er noch darf und was nicht?
Dies steht genau in unserem Schutzkonzept. Wichtig ist, dass dieses umgesetzt wird und alle im Betrieb davon Kenntnis haben, damit sie sich gegenseitig schützen können. So ist man auch bei einer Kontrolle auf der sicheren Seite.
Ich sehe Risiken später auf uns zukommen, wenn der „Courant normal“ wieder eintritt.
Finden solche Kontrollen häufig statt?
Im Frühling habe ich gehört, dass sie in meiner eher ländlichen Gegend, im Sensebezirk des Kantons Freiburg, durchgeführt worden sind. Nicht unbedingt in unserer Branche, sondern eher in Autogaragen oder Velowerkstätten. Diese mussten schliessen, wenn die Abstände zwischen den Mitarbeitenden nicht eingehalten werden konnten. Es ging also primär um deren Schutz. Vereinzelt habe ich auch schon von Kontrollen bei Berufskollegen erfahren, wobei das kantonal sehr unterschiedlich ist. Von einer Busse oder Ladenschliessung habe ich hingegen noch nie gehört, was beruhigend für uns ist, bedeutet dies doch, dass das Schutzkonzept korrekt geschrieben wurde.
Die Läden sind sowieso geschlossen.
Der Lockdown ist der Ausnahmefall. Schlimmer wäre eine Schliessung wegen eines Coronafalls im eigenen Betrieb ausserhalb des Lockdowns.
Wer seinen Betrieb 40 Tage oder länger schliessen muss, gilt als Härtefall und kommt unbürokratisch zu Hilfsgeldern. Gilt diese Regel auch für Betriebe, die „Click and Collect“ anbieten oder Reparaturen ausführen?
Die Auskünfte, die der Rechtsdienst des Verbands eingeholt hat, haben noch keine abschliessende Antwort ergeben. Im Moment gehen wir aber davon aus, dass die erwähnten Dienstleistungen keine Einschränkung darstellen. Wir halten unsere Mitglieder via Newsletter auf dem Laufenden.
Sie kommunizieren aktiv nach innen. Was tut der Verband nach aussen?
Vor ein paar Tagen wollten zwei VSGU-Mitglieder wissen, weshalb von unserer Branche in der Öffentlichkeit weniger zu hören ist als von anderen Verbänden. Meiner Meinung nach ist der direkte Vergleich, zum Beispiel mit Gastrobetrieben, schwierig. Ich gehe aufgrund vieler Rückmeldungen davon aus, dass es den meisten VSGU-Mitgliedern sowie ihren Lieferanten zurzeit wirtschaftlich nicht so schlecht geht, wie wir dies nach dem ersten Lockdown befürchteten. Da die Schweizerinnen und Schweizer nicht wie gewohnt reisen konnten, fielen die Weihnachtseinkäufe in New York aus und das Budget war etwas grösser für lokale Einkäufe, die vor allem im Schmuckbereich stattfanden. Wenn ich nochmals auf Ihre Frage zurückkommen darf: Verbände die sich in der Öffentlichkeit äussern, tun dies zurzeit stets mit negativen Facts, ich möchte kein unnötiges Looser-Image verbreiten.
Was ist mit denjenigen Betrieben, die die Coronakrise hart getroffen hat?
Zurzeit haben die meisten ein gewisses Verständnis für die Massnahmen des Bundesrats und es gibt die Möglichkeit, Härtefallgelder zu beantragen. Risiken sehe ich später auf uns zukommen, wenn der „Courant normal“ wieder eintritt und es aufgrund von nicht erfolgten oder zu spät ausbezahlten Hilfsgeldern zu Konkursen und Ladenschliessungen kommen könnte.
Blumengeschäfte und Coiffeursalons dürfen öffnen. Hätte man nicht wenigstens die kleinen Betriebe unserer Branche weiterarbeiten lassen können?
Soweit ich aus den Medien weiss, hat der Schweizerische Gewerbeverband nach dem ersten Lockdown vorgegeben, wer in einem erneuten Fall öffnen darf und wer nicht. Der Bundesrat hat seine Beschlüsse scheinbar aufgrund dieser Liste gefällt. Man kann sich immer fragen, wieso darf der öffnen und der andere nicht. Es gibt immer Argumente dafür und dagegen, auch bei uns. Würden wir alle Läden offenlassen, dann wären wir in drei oder vier Jahren mit der Corona-Pandemie noch nicht weiter. Die aktuellen Massnahmen dienen dazu, das Problem überhaupt mal in den Griff zu kriegen und ich hoffe, dass sie genügen, damit kein weiterer Lockdown mehr nötig wird.
Welche Ziele haben Sie für 2021?
Als Verbandspräsident sind meine Ziele eher kurzfristiger Art: Wir wollen unsere Mitglieder stets zeitnah mit den aktuellsten Corona-Informationen und Dienstleistungen versorgen, was zeitintensiv ist. Bis zur Generalversammlung im Juni stellen wir unseren Mitgliedern ein Papier zum Qualitätslabel des VSGU vor. Viele Arbeiten sind in Gange, die die neuen Ausbildungsreglemente für Goldschmiede und den Detailhandel betreffen. Ein weiteres Projekt widmet sich dem Berufsbildungsfond, der die zukünftige Finanzierung der Berufsbildung unserer Branche regeln wird. Mein Versprechen, das wegen Corona ein wenig ins Hintertreffen kam, ist die Kontaktaufnahme mit Berufsverbänden unserer Nachbarländer. Mich interessiert, wie diese Probleme in der Berufsausbildung angehen und wie im Bereich Uhren der Kontakt zu den Uhrenherstellern verläuft. Zudem geht es natürlich um den Informationsaustausch im Allgemeinen.
Meine persönlichen Wünsche decken sich mit jenen, die ich auch meinem Umfeld wünsche: trotz Corona gesund und motiviert bleiben, sich die nötige Erholung gönnen und bei alledem den Humor nicht verlieren.
Für die Uhren- und Schmuckbranche bin ich zuversichtlich, dass wir uns den neuen Gegebenheiten anpassen können. Es gab und gibt Probleme, die schon vor Corona bestanden haben und an denen weitergearbeitet werden muss. Corona brachte aber auch Veränderungen, die nun kreativ angegangen werden müssen. Als Beispiel erwähne ich die Hochzeitsmessen, die nicht stattgefunden haben. Hier müssen gemeinsam mit den Lieferanten Wege gefunden werden, wie Kunden trotzdem auf uns aufmerksam werden. Und wie schon erwähnt: Ich hoffe, dass unsere Mitglieder ihre Läden am 1. März wieder öffnen dürfen und dies der letzte Lockdown gewesen ist!
Tanja Wenger