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„Ich möchte die zwei Welten vereinen“

2016 startete an der Hochschule Luzern der erste Bachelor-Studiengang „XS Schmuck“ für Schmuckdesign. Mit dabei war auch Salome Bruggisser, die zuvor das Goldschmiede-Handwerk bei Messerer Juwelier in Zürich gelernt hatte. Nach dem Abschluss im letzten Sommer wurde sie von der Hochschule als künstlerische Assistentin angestellt und bewegt sich fortan in beiden Welten.

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Bilder zur Bachelorarbeit von Salome Bruggisser: Ringrohlinge, Wachs, 3D gedruckt.

Gold’Or: Salome Bruggisser, wie kamen Sie ein Jahr nach Ihrem Lehrabschluss als Goldschmiedin auf die Idee, noch einen dreijährigen Vollzeit-Studiengang für Schmuckdesign zu absolvieren?

Salome Bruggisser: Ich war in der technisch-goldschmiedischen Schmuckwelt zu Hause, wusste aber, dass diese auch noch eine gestalterische, künstlerische und konzeptionelle Seite hat, die mich ebenfalls faszinierte. Darum habe ich mich für dieses Studium entschieden.

Wieso wollten Sie nach der Goldschmiede-Lehre nicht zuerst Berufserfahrungen sammeln?

Das hätte sicher nicht geschadet. Als ich aber zufällig von „XS Schmuck“ erfahren habe, dem ersten Studiengang für Schmuckdesign in der Schweiz, wusste ich, dass ich dort dabeisein wollte. Ich war neugierig auf das Angebot der Hochschule Luzern. Ähnliche Ausbildungen gab es vorher nur im Ausland. Es war keine Entscheidung gegen die Berufserfahrung, sondern für das Studium.

Was hat Ihnen die Ausbildung an der XS Schmuck gebracht? Sind die Erwartungen erfüllt worden?

Das sind sie absolut. Nach dem Lehrabschluss dachte ich mir, dass ich nun wüsste, was Schmuck und Schmuckmachen bedeutet. Heute – fünf Jahre später – bin ich wieder oder immer noch am Herausfinden, was Schmuck genau ist. Mittlerweile weiss ich, dass die Schmuckwelt viel facettenreicher und grösser ist, als ich mir das vorstellen konnte. Dank des grossen Wissens, das vermittelt wurde, der optimalen Infrastruktur und vor allem auch wegen der Begegnungen und Vernetzungen, die ich machen durfte, sind meine Erwartungen mehr als erfüllt worden.

Traditionelles Handwerk und modernes Design scheinen zwei Welten zu sein.

Bis vor kurzem waren diese Bereiche tatsächlich getrennte Welten, die sich nun langsam anzunähern scheinen. Ich hatte das Glück beide Seiten kennenzulernen, und habe mir zum Ziel gesetzt, die zwei Welten zu vereinen. Darin sehe ich viel Potential. Wir leben im steten Wandel. Modernes Design funktioniert nicht ohne seriöses Handwerk und handwerkliche Fähigkeiten nützen nichts ohne kreative Gestaltung.

Heisst das, dass Goldschmiede Mut zu Neuem zeigen sollten?

Ich denke, die Zeiten, als ein Goldschmied allein in seinem Kämmerchen gearbeitet hat, und seine Kreationen aus Angst, jemand könnte sie kopieren, kaum ins Schaufenster stellen wollte, sind grösstenteils vorbei. Man muss auch nicht mehr den Anspruch haben, jedes Teil selbst anzufertigen. Nicht zuletzt durch die Digitalisierung sind Berufskollegen und Spezialisten näher gerückt und unterstützen sich gegenseitig.

Was haben Sie denn im Studiengang XS Schmuck Neues gelernt?

Ich habe gelernt, ab und zu ein bisschen die Kontrolle abzugeben. Dadurch fühle ich mehr Freiheit. Präzision ist zwar nach wie vor unerlässlich, aber sie ist nicht immer der wichtigste Faktor.

Sie sind nun künstlerische Assistentin im Bereich Design & Kunst an der Hochschule Luzern. Worin bestehen dort Ihre Aufgaben?

Mein 50-Prozent-Pensum setzt sich aus zwei Aspekten zusammen: Einerseits bin ich für administrative und organisatorische Aufgaben zuständig und andererseits assistiere ich den Dozentinnen und Dozenten beim Unterricht. Ich sehe mich auch als „verbindendes“ Glied zwischen dem Studiengangleiter Christoph Zellweger, den Dozenten und den Studierenden.

Kommen Sie selber noch zum Goldschmieden oder interessiert Sie das klassische Handwerk nicht mehr?

Das Goldschmieden und das traditionelle Handwerk gehören unverändert zu meinen grossen Leidenschaften, die ich pflegen will. Ich arbeite noch oft an der Werkbank in meinem Atelier und erledige Aufträge. Zudem engagiere ich mich neu auch an den Schweizer Goldschmiede Meisterschaften und gebe technische Kurse für Laien.

Es scheint, dass immer mehr junge Menschen lieber Design studieren, als dass sie einen traditionellen Beruf wie Goldschmied erlernen wollen. Woran liegt das?

Das ist eine schwierige Frage. Ich denke nur schon die Berufsbezeichnung Designer tönt für junge Ohren vielversprechender als Goldschmied, was zwar durchaus schön, aber traditioneller klingt. Dazu kommt, dass der Wert, ein altes Handwerk zu beherrschen, in jungen Jahren oft noch nicht richtig eingeschätzt werden kann.

Könnte das eigentliche Kunsthandwerk verloren gehen?

Grundsätzlich habe ich keine Angst um unser schönes Handwerk. Aber es muss sich – wie alles andere – mit den technischen und gesellschaftlichen Veränderungen weiterentwickeln. Ich betrachte den Computer als ein Werkzeug mehr in der Kiste.

Wäre es sinnvoll, wenn traditionelle Lehrgänge mit modernen Ausbildungen kombiniert werden könnten?

Unbedingt! Ich hoffe, dass dies im neuen Lehrplan der Goldschmiede gebührend berücksichtigt wird.

Wie sehen Ihre Zukunftspläne aus?

Wie gesagt, will ich versuchen, die Aspekte Handwerk und Gestaltung miteinander zu verbinden. In meiner Bachelorarbeit ging es darum, potenzielle Kunden in den Entstehungsprozess von Schmuckstücken miteinzubeziehen. Schliesslich geht es beim Thema Schmuck immer um Emotionen. Ich will herausfinden, wie das genau umgesetzt werden und wie man die Kunden dafür gewinnen kann. Das ist noch ein langer Weg mit viel Arbeit, die enorm viel Spass macht.

www.hslu.ch

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