Bernstein wird zu Ketten, Schmuck und Gebrauchsgegenständen verarbeitet. Schon in der Jungsteinzeit schrieb man ihm besondere Wirkungskraft zu. Die Basler Sbiseo AG hat sich kürzlich mit dem Material auseinandergesetzt.
Neben anderen organischen Substanzen wie Muscheln, Korallen oder Perlen wird Bernstein seit Jahrtausenden zur Herstellung von Schmuckstücken verwendet. Genauso lange wird ihm nachgesagt, auf die Menschen eine spezielle Wirkung zu haben. Bereits um 10’000 vor Christus wurde er in Nordfriesland zu Anhängern und Kugeln verarbeitet. Das Team des Schweizerischen Bewertungsinstitutes für Schmuck, Edelsteine und organische Substanzen (Sbiseo AG) durfte eine besondere Form von Bernsteinketten bewerten, nämlich im Islam gebräuchliche Gebetsketten, die als „Misbaha“ oder „Subha“ bezeichnet werden. Ausserhalb des arabischen Sprachraums werden diese auch Tasbih, Tesbih oder Tespih genannt, was auf Arabisch eigentlich den Vorgang der Lobpreisung bezeichnet. Die Gebetskette unterstützt das Sprechen, beziehungsweise das Zählen von Gebetsformeln. Ferner werden sie als Talisman benutzt, als religiöse Symbole aufgehängt oder als Halsschmuck getragen.
Eine Misbaha hat üblicherweise 99 Perlen, die beweglich an einem Faden aufgereiht und in drei Abschnitten zu je 33 Perlen aufgeteilt sind. Die Perlen wurden früher meist aus Holz gefertigt, heute vor allem aus Schmucksteinen, Glas oder eben aus Bernstein. Die Abschnitte sind jeweils durch eine vergrösserte und andersfarbige Perle gekennzeichnet. Es genügt auch eine besonders gestaltete Schlussperle. Häufig besitzen Misbahas kurz vor der Schlussperle eine kleine Nebenkette mit bis zu zehn Perlen, die auf eine dickere Schnur aufgezogen sind. Diese Perlen verrutschen nicht von selbst, mit ihnen wird die Zahl der Gebetsrunden festgehalten. Nach jedem Durchgang wird eine Perle verschoben, die dann am neuen Platz bleibt. Die Haupt- und Nebenketten können mit Stoffquasten oder Schmuckstücken verziert sein.
Gesammelt und geschätzt
Es gibt auch kleinere Misbahas mit 33 Perlen, die weit verbreitet sind und oft mitgeführt werden. Sie werden dreimal „durchgebetet“. Andere haben eine andere Anzahl, da gewisse Bernsteinkugeln verloren oder kaputt gingen und nicht ersetzt wurden. Die meisten dieser Gebetsketten sind sogenannte „antique collectors Misbahas / Tashbis“. Besonders im arabischen Raum werden diese von vermögenden Leuten gesammelt und geschätzt. Seltene Misbahas tragen Namen und haben einen besoderen Wert.
Neben der Qualität des Bernsteins spielen bei der Bewertung folgende Faktoren eine Rolle:
- die Farbe des Bernsteins
- die „Marmorierung“
- Grösse und Gewicht
- das Alter der Herstellung
- die früheren Besitzer (bei bekannten Persönlichkeiten erhöt sich der Wert)
- bei alten Gebetsketten die Patina, die durch den Gebrauch entstanden ist
- der Bekanntheitsgrad des Künstlers, der den Bernstein verarbeitet hat
- zusätzliche Elemente, wie Goldkugeln und -ketten
- der Gesamtzustand (Rissbildung, Absplitterungen und dergleichen)
- die Einschlüsse
Bernstein, auch Amber oder mineralogisch Succinit genannt, war ursprünglich ein Baumharz, das vor Millionen von Jahren aus Kiefern und anderen Nadelhölzern ausgetreten und an der Luft hart geworden ist. Grosse Mengen des getrockneten Harzes gelangten ins Meer, sanken in tiefe Sedimentschichten ab, wurden von Staub, Sand und Gestein zugeschüttet und im Verlauf der Zeit unter Ausschluss von Luft und unter hohem Druck zu Bernstein verpresst. Die meisten Funde lassen sich auf das Tertiär zurückdatieren und sind also rund 55 Millionen Jahre alt. Es gibt allerdings auch Vorkommen jüngeren Datums.
80 Arten von Bernstein
Weltweit sind rund 80 Arten mit 99,9 Prozent Succinit bekannt. Dazu gehören Gedanit, Glessit, Beckerit, Stantienit, Goitschit, Bitterfeldit, Durglessit und Pseudostantienit sowie elf weitere Varietäten des Succinit aus der Bitterfelder Lagerstätte (Braunkohlerevier in Sachsen-Anhalt/D). Von der Bernsteinart Succinit werden Varietäten und Qualitäten, insbesondere nach dem Grad der Trübung unterschieden:
- Klar oder Schierklar, völlig durchsichtig wie Glas, Färbung schwach hellgelb (Eisklar) bis bräunlich-gelb.
- Flom oder Matt, halbdurchsichtig trüb durch mikroskopisch kleine Bläschen.
- Bastard, völlig undurchsichtig satttrüb, homogen bis wolkig oder gefleckt (sogenannter Kumst) mit unterschiedlich starker Färbung.
- Knochen, völlig undurchsichtig, elfenbeinfarben bis reinweiss (Weissharz).
Gehandelt werden Naturbernstein, klargekochter oder geklärter Bernstein und schon seit 1881 Pressbernstein.
Fälschungen und Manipulationen
Bernsteinnachbildungen (Imitationen) sind in vielfältiger Form im Handel. Das trifft vor allem auf den Baltischen Bernstein zu. Meist handelt es sich um Nachbildungen auf der Basis verschiedener Kunstharze. Deren Eigenschaften zur Herstellung von Objekten haben sich im Laufe der Jahrzehnte stark verbessert. Um Fälschungen handelt es sich nur dann, wenn Bernstein in der Absicht nachgebildet wird, ihn als Naturbernstein oder echten Bernstein anzubieten. Aufgrund der Wertschätzung und des Mehrwerts, die organischen Bernsteineinschlüssen entgegengebracht werden, sind solche besonders häufig Gegenstand von Fälschungen und wurden schon im 16. Jahrhundert entdeckt.
Herbert Pfammatter, Karl Vogler, Ingrid Gama