Die Zuliefermesse EPHJ ist vom 6. bis 9. Juni erfolgreich über die Bühne gegangen. Präsent waren 750 Austeller, 2020 waren es 700. Noch deutlicher war die Zunahme bei den Besuchern: 21’780 kamen in diesem Jahr nach Genf, sprich 21 Prozent mehr als 2022. Entsprechend zeigten sich die Aussteller mit der Frequenz und den getätigten Kontakten mehrheitlich zufrieden.
Eine Besonderheit bildete wiederum das Rahmenprogramm mit zahlreichen Fachvorträgen und Podiumsgesprächen. Im Podium zum Thema „Herausforderungen der Schweizer Uhrendindustrie bei der Weitergabe der traditionellen Handwerkskunst“ diskutierten (unter anderen) der Meisteruhrmacher Philippe Dufour aus Le Sentier, Frédéric Mino, Lehrer an der Uhrmacherschule in Genf oder die Historikerin Rossella Baldi von der Universität Neuenburg. Eines ihrer Spezialgebiete ist die Dokumentation der Uhrenherstellung im 18. Jahrhundert.
Philippe Dufour, der den Akzent gerne auf den drohenden Verlust des handwerklichen Wissens in der Uhrmacherei setzt, stellte die Fragen in den Raum, wieviele der in der Schweiz jährlich ausgebildeten Uhrmacher später in der Branche bleiben. Die zunehmende Arbeitsteilung verunmögliche es Uhrmachern mehr und mehr, so Dufour, den Beruf heute noch in einem zufriedenstellenden Sinn auszuüben, weshalb dessen Attraktivität schwinde. Gefragt nach seinen Zukunftswünschen, nannte er als Traum die Gründung einer internationalen Uhrmacherschule im Vallée de Joux, die dem traditionellen Handwerk verpflichtet ist.
Frédéric Mino wies darauf hin, dass bei der Ausbildung in Genf grosser Wert darauf gelegt werde, dass die Lernenden ihre praktischen Arbeiten und ihren Lernfortschritt laufend schriftlich dokumentierten. Diese Arbeit, so Mino, trage viel zur Wissensvermittlung und Verinnerlichung der gelernten Arbeitsschritte bei. Mino wies auch darauf hin, dass die moderne Generation der Lernenden vielleicht etwas vergessen habe, dass Lernen nicht von selbst gehe, sondern dass Fortschritte oft die Frucht strenger Arbeit seien. Er unterstrich auch die Aufgabe der Ausbildner, die Lernenden an die Momente des Begreifens heranzuführen und ihnen die Freude der Wissensaneignung zu eröffnen.
Rossella Baldi betonte die Bedeutung von Dokumenten für den Transfer von Wissen. Gleichzeitig erfordere es Spezialwissen, wichtige Dokumente aufzuspüren und zu finden. Und schliesslich brauche es auch Erfahrung und Wissen bei der Analyse dieser Dokumente. Ein Traktat über die Uhrenfertigung aus dem 18. Jahrhundert bringe einem beispielsweise nur etwas, wenn man dieses verstehe und den Inhalt für die heutige Zeit zu aktualisieren wisse.
Als Fazit dieses Podiums lässt sich festhalten, dass die Pflege der handwerklichen Schweizer Uhrentradition umso wichtiger wird, je technischer und automatisierter die moderne Uhrenfertigung wird. Denn eines betonte gerade Philippe Dufour unmissverständlich: Sollte es irgendwann einmal der Fall sein, dass Uhren nur noch durch Maschinen gefertigt würden, wäre die Schweizer Uhrenindustrie tot. mw