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Eine Meisterschaft ohne Publikum

Eigentlich hätte Ende April in gewohnt feierlichem Rahmen die Preisverleihung der diesjährigen Schweizer Goldschmiede-Meisterschaft stattfinden sollen. Aus bekannten Gründen musste darauf verzichtet werden. Immerhin ist aber für die Kategorie Design ein Rahmen gefunden worden, und die besten Arbeiten können hier vorgestellt werden.

Auch bei der Schweizer Goldschmiede-Meisterschaft lief dieses Jahr alles anders als gewohnt. So musste der technische Bereich aufgrund der zulässigen Gruppengrössen, wie auch der veränderten Verfügbarkeit geeigneter Werkstätten, abgesagt werden. Zur grossen Freude – nicht nur der Organisatoren Daniel Gut und Christoph Brack – konnte immerhin die Design Meisterschaft erfolgreich durchgeführt werden. Die Preisverleihung, die am 27. April im Hotel Schweizerhof in Luzern über die Bühne gegangen wäre, hat dieses Jahr in neuer Form stattgefunden – nämlich online.

Im Mittelpunkt der Design-Meisterschaft stand das sogenannte „Gold des Nordens“, der Bernstein. Unter dem Motto „Conservation – Conversation“, das für Erkenntnisse aus der Vergangenheit und Botschaften an die Zukunft steht, konnten die Lernenden im vierten Jahr bis Mitte März ein Schmuckstück mit passendem Konzept einreichen. 24 künftige Goldschmiedinnen und Goldschmiede haben mitgemacht. Am 18. Mai wurde die Jurierung nachgeholt.

Grosser Preis: RBM 2044

RBM 2044 von Genèviève Coté ist Schmuck, Werkzeug und Science-Fiction zugleich. Haptisch beeindruckend und mechanisch hervorragend umgesetzt, löst der stempelartige Schmuck Faszination und Schaudern aus. Weiche Formen und Proportionen scheinen über den Zweck dieses „Conversation Piece“ hinwegzutrösten. Die Botschaft, den Menschen kennzeichnen zu wollen, ist nicht nur historisch belastet, sondern auch unheimlich zeitgemäss. Mit Liebe zum Detail ist der Werkzeugsatz umfassend, haptisch beeindruckend und perfekt umgesetzt. Schmuck schafft normalerweise Identität. RBM 2044 zwingt diese geradezu auf und versucht, eine komplexe Welt zu vereinfachen. Heute erhobene Daten sollen Auskunft über das Ablaufdatum des einzelnen Menschen geben. Zugehörigkeit und Ausschluss finden im Stillen statt und werden nun eindringlich sichtbar gemacht. Tragbar ist dieser Schmuck insbesondere dann, wenn sein Kern in eine andere materielle Welt, auf die Haut kopiert worden ist. Genèviève Coté präsentiert ein kleines Universum im kompakten Köfferchen, das in unseren Köpfen eine überraschende, kontroverse neue Welt auftut.

Grand prix – „RBM 2044“: Geneviève Côté. Peclard Suisse SA, Zürich.

Konzeptpreis: Scala naturale

Der Rückenschmuck von Benjamin Brown symbolisiert die Wirbelsäule als schöne Metapher der Mitte. Handwerklich fein gearbeitet, gestalterisch und konzeptionell spannend, hält der Schmuck seine Trägerin sprichwörtlich aufrecht und aufrichtig. Die Verwendung zahlreicher Materialien mit viel Hintergrundinformationen zu den einzelnen Rondellen ist stimmig und beeindruckt. Die Nussbaum- und Bernsteinrondellen sind harmonisch eingebettet. Das Konzept des Kommunikationsdatenkanals wird dadurch erlebbar gemacht. Der Schmuck wird zum Botschafter und trägt Erinnerungen in die Zukunft. Eine formal schlüssige Umsetzung ist schmückend und besticht durch ihre gezielte Beweglichkeit. Die zweisprachige Dokumentation rundet den Auftritt von Scala naturale ab.

Konzeptpreis – „Scala naturale“: Benjamin Brown. Chopard & Cie SA, Meyrin.

Jurypreis: Réseaux

Der Haarkamm von Nayah Maurer verbindet auf wunderbare Weise alte Zeiten mit modernem Wissen. Bis ins letzte Jahrhundert war der Kamm ein beliebtes Schmuckobjekt. Ganz modern verknüpft sich dieser Schmuck nun mit dem Hirn, dem menschlichen Zentrum, wo Erinnerungen und Botschaften abgerufen und aufbereitet werden. Die Goldschmiedin spielt mit warmen Farben, Glanz und der Elastizität von Gummibändern. Die feine Bewegung nimmt Bezug auf die Dynamik des Neuronengeflechts. Bernstein- und Holzrondellen setzen harmonische Ankerpunkte und visualisieren die Verknüpfung von Erfahrung mit einer neuen Nachricht. Jede der Ebenen ist formal anders und trägt zur stimmigen Einheit bei. Lebendig und zeitgemäss übersetzt hat der Haarkamm die Jury mit Themennähe, feiner Arbeit und tollem Design überzeugt.

Jury-Preis – „Réseaux“: Nayah Maurer. CIFOM EAA, La Chaux de Fonds.

Belobigung: Empreintes

„Empreintes“ von Laura Gambarini ist ein Schmuckstück ohne Anfang und Ende, das die Jury an eine Gebetskette erinnert. Sein schöner Klang, die wertvolle Haptik und die sorgfältige Verarbeitung unterstützen den meditativen Eindruck. Die Halskette spielt mit der Vergänglichkeit unserer Botschaften. Spuren werden mit der Zeit tiefer, oder aber verwischt. Ist es der Walk of Fame der sinnbildlich verblasst? Der menschliche Abdruck verstärkt sich, bevor er sich wieder verflüchtigt. Bernstein und Holz markieren die Pole der Halskette. Dabei konserviert Bernstein die Vergangenheit besser, als unser Abdruck im Holz die Zeit überdauern kann. „Empreintes“ ist schmuck und hat eine eigene Verspieltheit: Aufbauend oder zurückziehend.

Belobigung – „Empreintes“: Laura Gambarini. CIFOM EAA, La Chaux de Fonds.

Belobigung: Respect

„Respect“ von Julie Vulliamy hat einen beeindruckenden Bezug zur aktuellen Situation. Oder ist es gar ein Blick in die Zukunft? Die einfachen Silberklammern sind mit einem QR-Code bedruckt, der auf einer verlinkten Website persönliche Begegnungen zeigt. Ein Treffen auf Distanz gewissermassen oder Emotionen über den digitalen Weg. Die Begegnung mit Respekt findet virtuell statt. Der Schmuck in der realen Welt hingegen wirkt flüchtig und simpel, fast steril. Über den Wechsel ins Web scheint „Respect“ das Thema Schmuck konsequent zu immaterialisieren. Diese maximale Reduktion spielt mit der Grenze, dass die Klammern überhaupt noch als Schmuck wahrgenommen werden. Und sie schenkt dem gegenseitigen Respekt eine eigene Bühne.

Belobigung – „Respect“: Julie Vulliamy. CIFOM EAA, La Chaux-de-Fonds.

Belobigung: Die Rotation des Lebens

Die kleine Schnecke zieht ihre Kreise und nimmt sich die Zeit, die sie braucht. Ebenso braucht das Schmuckstück Livia Heinzers Zeit, um die Details und die Verarbeitung zu würdigen. Die vorgegebenen Materialien sind stimmig ins Konzept integriert und das Wettbewerbsthema sauber in ein alltagstaugliches Schmuckstück umgesetzt. Insbesondere gibt der durchleuchtete Bernstein einen traumhaften Einblick in die Vergangenheit. Eine liebevolle, handwerklich und mechanisch perfekt ausgeführte Goldschmiedearbeit, die die Jury honorieren will.

Belobigung – „Die Rotation des Lebens“: Livia Heinzer. Goldschmiede Benno Heinzer, Schwyz.

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www.smgold.ch

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