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Ein Traditionsgeschäft schliesst

Die Bijouterie Boutellier Uhren und Schmuck in Brugg schliesst per Ende März 2025. Eine geeignete Nachfolge zu finden, erwies sich als zu schwierig, so Inhaber Georges Boutellier. Die Wehmut ist jedoch gering, es überwiegen die schönen Erinnerungen an eine grossartige Unternehmerzeit und ein erfülltes Leben als Bijoutier.

Gegründet wurde das Brugger Traditionsgeschäft 1934 von Eduard Boutellier, der in Solothurn das Uhrmacherhandwerk gelernt hatte. 1938 heiratete er Marie Boutellier, die in der Folge zu einer wichtigen Stütze in der Administration und der Kundenberatung wurde. Auch Sohn Georges Boutellier absolvierte Anfang der 60er Jahre eine Lehre als Uhrmacher in Solothurn. Nach der Lehre wollte er jedoch nicht in ein gemachtes Nest steigen, sondern entschied bewusst, sich auswärts die Sporen abzuverdienen. Es zog ihn nach Genf, wo er im Feuille d’avis de Genève ein Inserat schaltete und gleich von mehreren Uhrenmarken Angebote erhielt, darunter Universal Genève, Vacheron Constantin und Rolex, wo er schliesslich unterschrieb. An die Zeit bei Rolex hat er sehr gute Erinnerungen. „Man wurde als Uhrmacher umsorgt, jeden Morgen kam das Znüniwägeli vorbei und bot uns Tee, Kaffee und ein Gipfeli an.“ Nach zwei Jahren bei Rolex absolvierte Boutellier Stages bei Certina in Grenchen sowie bei Zenith in Le Locle, auch dies lehrreiche und wertvolle Zeiten für den jungen Uhrmacher.

Tour de Suisse

Bei Zenith wurde Georges Boutellier am Ende vom damaligen Schweizer Marktverantwortlichen nach Positivem und Negativem gefragt. Er schlug vor, dass die Marke näher zu den Kunden gehen müsse, worauf er prompt beauftragt wurde, eine Markentour quer durch die Schweiz vom Tessin bis zum Bodensee zu organisieren. Mit einem VW-Käfer motorisiert, nahm Boutellier das Projekt mit vier Stationen erfolgreich in Angriff. Auch eine Managementausbildung am CFH, dem Centre international de l’industrie horlogère suisse in Lausanne, absolvierte er in seiner Lehr- und Wanderzeit, bevor er schliesslich 1970 ins elterliche Geschäft einstieg und dieses ein Jahr später als Geschäftsführer übernahm. Ein Meilenstein folgte 1982 mit dem Umzug von der alten Zürcherstrasse an den Neumarktplatz, wo ein modernes Geschäft eröffnet wurde. Neben dem eigenen Geschäft engagierte sich Boutellier auch in Verbänden, so etwa viele Jahre als Präsident des Zentralverbandes Schweizerischer Uhrmacher der Sektion Aargau-Solothurn-Baselland sowie als Präsident der Mietervereinigung Neumarkt Brugg.

Brugg erachtet Boutellier immer noch als sehr guten Standort – „eine schmucke Kleinstadt mit einem breiten kulturellen Angebot und einem beachtlichen Einzugsgebiet“, so Boutellier diesen Frühling in einem Interview mit Radio Argovia. Es sei immer eine schöne Herausforderung gewesen, im Sog der Grossstadt erfolgreich zu sein, wobei er als erste Konkurrenz immer Zürich und weniger die Nachbarstädte Aarau und Baden sah. Dank viel Einsatz, gutem Service, innovativen Anlässen und einem kompetenten und engagierten Team sei es ihnen gelungen, bis am Schluss einen treuen und guten Kundenstamm zu pflegen. Seit April kommen die Kunden nun in den Genuss von rabattierten Preisen, Anfang Mai wurde schliesslich ein Totalausverkauf gestartet, der auch in den Medien beworben wurde.

Dass es am Ende nicht gelungen ist, das Geschäft in neue Hände zu geben, bedauert Georges Boutellier selbstverständlich. Aber es gibt Gründe. Eine geeignete Nachfolge zu finden, erwies sich als schwierig. Gerade für einen jungen Nachfolger sei ein Einstieg kapitalintensiv, nicht zuletzt in der Uhren- und Schmuckbranche, während der Rückenwind durch Banken fehle. Dazu kämen die bekannten Schwierigkeiten des Einzelhandels. Wer nicht selber Eigentümer sei, spüre an guten Lagen das Gewicht hoher Mietzinsen, so Boutellier. Dazu komme, dass der Einflussbereich der Marken heute sehr gross sei, während nicht nur jüngere Kunden ihre Modellauswahl häufig online träfen.

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Georges Boutellier in den 80er Jahren mit seinen Eltern Eduard und Marie Boutellier.

Die dritte und vierte Generation

Ein Grund, warum der 81-jährige Georges Boutellier, wie er sagt, nicht mit weinendem, sondern eher mit zwei lachenden Augen aufhört, liegt sicherlich auch darin, dass seine Nachkommen weiterhin erfolgreich in der Uhren- und Schmuckbranche tätig sind und auch abseits davon die Leidenschaft für Uhren und Schmuck weiterleben. Sohn Patrick Boutellier war viele Jahre für verschiedene renommierte Marken im In- und Ausland tätig, schliesslich einige Jahre Marktverantwortlicher bei Rolex für die Region Australasien, ehe er 2021 an der Collins Street in Melbourne eine Rolex-Boutique, das Geschäft Boutellier Montres, eröffnete. Zusammen mit seiner Familie freut sich Georges Boutellier, seinen Sohn im November in der australischen Metropole zu besuchen und dabei auch auf das Jubiläum der Uhrenfamilie Boutellier anzustossen. „Wir werden dort im kleinen Kreis unser 90-jähriges Jubiläum feiern.“ Auch Georges Boutelliers Enkel Yves Boutellier, der Sohn von Patrick Boutellier, ist in vierter Generation in die Fussstapfen seiner Vorfahren getreten und aktuell in Stockholm in einem renommierten Uhrenfachgeschäft tätig.

Auch in der Region Brugg lebt der Name Boutellier in der Branche weiter. Georges Boutelliers Tochter Caroline Boutellier machte sich nach einer Goldschmiedelehre bei Furrer-Jacot in Schaffhausen und Stationen in Zürich, unter anderem bei Majo Fruithof, 2006 in Windisch mit einem eigenen Atelier selbstständig, das seit 2022 in der Alten Spinnerei zu finden ist. Die Bijouterie-Tradition, die 1934 in Brugg mit Eduard Boutellier ihren Anfang nahm, lebt also auch nach 90 Jahren weiter, in Australien, in der Schweiz und aktuell auch in Schweden.

Marcel Weder

 

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