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Der Gaïa-Preis 2021

Jeweils in der Woche der herbstlichen Tagundnachtgleiche versammelt sich, was in der Uhrenindustrie Rang und Name hat am Musée International d’Horlogerie (MIH) in La Chaux-de-Fonds. Dort werden die drei Gaïa-Preise in den Bereichen Handwerk/Kreativität, Forschung/Geschichte und Unternehmertum verliehen.

Im Gegensatz zu anderen renommierten Preisen, ist der Gaïa-Preis eine rein symbolische, aber prestigeträchtige Glaskugel. Die diesjährigen Laureaten sind die französische Uhrenkonstrukteurin Carole Kasapi, der britische Wissenschafts- und Technikhistoriker Anthony John Turner sowie der Schweizer Uhreningenieur Eric Klein.

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Rotonde Astrorégulateur von Cartier (2011), konzipiert von Carole Kasapi.

Carole Kasapi

Carole Kasapi, die in Fachkreisen als „Königin der Komplikationen“ bekannt ist, wurde in Paris in eine Uhrmacherfamilie geboren. Schon als Kind war sie von der Uhrmacherei im väterlichen Atelier fasziniert. Im Alter von 16 Jahren schrieb sie sich an der Uhrmacherschule in La Chaux-de-Fonds ein und liess sich nach dem Diplom zur Uhrenkonstrukteurin ausbilden.

Danach arbeitete Kasapi einige Jahre lang bei Conseilray SA, wo sie im Auftrag renommierter Marken komplizierte mechanische Uhrwerke entwickelte. Besonders erwähnenswert ist das extraflache, aber doch sehr robuste und hochpräzise Zenith-Uhrwerk „Elite“. Weitere Stationen ihrer Karriere waren der Komplikations-Zulieferer Renaud & Papi und die Manufaktur Ulysse Nardin. Im Jahr 2000 wechselte Kasapi zu Cartier Horlogerie, wo sie das Entwicklungsteam von Uhreningenieuren leitete und ihren Namen auf zahlreiche horologische Patente setzte. 2012 erhielt sie den Grand Prix de l’Horlogerie de Genève.

Zu Kasapis faszinierendsten Kreationen aus dieser Zeit gehören Cartier-Uhrwerke mit vielsagenden Namen wie Astrorégulateur, Astrotourbillon und Astrocalendaire. Auch an der Konstruktion der ID One (mit Hemmung aus diamantähnlichem Kohlenstoff), ID Two (mit evakuiertem Gehäuse) und der eleganten Panthère-Werke war sie federführend beteiligt. Letztes Jahr wechselte sie zu TAG Heuer im LVMH-Konzern, um dort weiterhin neuartige Manufakturwerke mit einzigartigen Komplikationen zu entwickeln.

Anthony John Turner

Der 1946 in England geborene Turner studierte Wissenschaftsgeschichte an der Elite-Universität Oxford. 1970 wurde er wissenschaftlicher Mitarbeiter am National Maritime Museum in Greenwich. Schon zwei Jahre später konnte er sich dank seinem enzyklopädischen Wissen zur Geschichte der wissenschaftlichen Instrumente, Astrolabien, Sonnenuhren und Präzisionsuhrwerken selbständig machen. Insbesondere fungierte er als Berater und Ausstellungsgestalter für die bekanntesten Technikmuseen in Grossbritannien und Frankreich. Für Auktionshäuser wie Sothebys, Artcurial und Drouot verfasste Turner etwa 80 Kataloge.

Seit der Jahrhundertwende schreibt Turner in Zusammenarbeit mit dem Italiener Paolo Brenni und dem Franzosen Denis Beaudouin – beide renommierte Wissenschaftshistoriker – ein online Lexikon der französischen und schweizerischen Hersteller wissenschaftlicher Instrumente seit 1430; es umfasst bereits 3500 Einträge und wird laufend erweitert. Turner leitet zudem in Zusammenarbeit mit den britischen Uhrenwissenschaftern und Autoren James Nye und Jonathan Betts die Produktion einer weltweiten Enzyklopädie zur Geschichte der Uhrmacherei. Diese „General History of Horology“ in Buchform soll gegen Ende 2021 bei Oxford University Press erscheinen.

Für seine einzigartigen Beiträge zur Geschichte der wissenschaftlichen Instrumente und Uhren wurde Turner 2018 mit den Paul-Bunge-Preis ausgezeichnet. Dieser mit 7500 Euro dotierte Preis wird seit 1993 jährlich für besondere Leistungen im Bereich der Wissenschaftsgeschichte verliehen. Er soll an den Hamburger Feinmechaniker Paul Bunge (1839-1888) erinnern, ein seinerzeit führender Konstrukteur von Präzisions-Laborwaagen für die chemische Analyse.

Eric Klein

Der gebürtige Neuenburger Eric Klein (*1949) erhielt 1973 sein Diplom als Mikrotechnik-Ingenieur am Institut für Physik der Universität seiner Heimatstadt, wo er zum Assistenzprofessor avancierte. Ein Jahr später wurde er vom Forschungszentrum der Ebauches SA (heute ETA) zur Entwicklung von Mikromotoren für Quarzuhren angestellt. 1976 wechselte er zur Ebauches-Tochter FHF (Fabrique d’Horlogerie de Fontainemelon) um dort den radikalen Paradigmawechsel von der mechanischen zur elektronischen Uhrentechnologie durchzuziehen. Ab 1982 leitete Klein Entwicklung, Montage und Qualitätskontrolle der Uhrwerke der Firma Ronda im basellandschaftlichen Lausen, ein international tätiges Familienunternehmen. Nach dem Tod des Firmengründers William Mosset leitete Klein den Betrieb ab 1985 in Zusammenarbeit mit Mossets Erben. Er gründete in dieser Funktion Ronda-Produktionsbetriebe in Hongkong, Bangkok und Stabio (Tessin) mit insgesamt 630 Mitarbeitern.

1994 wechselte Klein zur Richemont-Gruppe, um im Auftrag von Cartier Quarzwerke zu entwickeln und zu produzieren. Ein Jahr später zog er in Neuenburg die Forschung und Entwicklung von mechanischen Uhrwerken für die Marken Cartier, Montblanc, Panerai und Piaget auf. Produziert werden diese Werke von der damals neu gebauten Manufaktur ValFleurier in Buttes (neuenburgisches Val-de-Travers), die Klein in Zusammenarbeit mit Henri-John Belmont, Richemonts Direktor Haute Horlogerie, von Grund auf plante. Klein leitete ValFleurier als CEO bis 2012. Anschliessend widmete er sich bis zur Pensionierung der Uhrwerkstrategie und diversen Forschungsprojekten der Richemont-Gruppe.

Anlässlich der Gaïa-Preisverleihung wird jeweils auch ein von der Stiftung Watch Academy finanziertes Stipendium vergeben. Dieses Jahr heisst die Empfängerin Nathanaëlle Delachaux. Sie wurde 1993 geboren und macht zurzeit ihren Abschluss in Kunstgeschichte und Ethnologie an der Universität Neuenburg. Das Stipendium wird ihr ermöglichen, das Lehren und die Weitergabe von uhrmacherischem Knowhow am MIH zu untersuchen und zu dokumentieren.

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