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Der Coup

Die Übernahme von Bucherer durch Rolex ist die Meldung des Jahres. Auch wenn derzeit niemand abschätzen kann, welche Konstellationen sich aus dem Kauf ergeben, dürften dessen Folgen in den nächsten Jahren deutlich spürbar werden.

„Rolex übernimmt Bucherer“. Wer die Meldung am 24. August las, traute im ersten Moment seinen Augen nicht. Die erste Verblüffung wich jedoch schnell der Einsicht, dass der Deal nichts anderes ist, als die natürliche Verschmelzung zweier enger Weggefährten. Nicht zufällig wurde in der Berichterstattung zur Übernahme häufig das Wort Hochzeit verwendet. Wobei im Pressenebel etwas unterging, dass auf ein Hochzeitsfoto, zum Beispiel ein symbolischer Händedruck zwischen Jörg Bucherer und dem Rolex-CEO Jean-Frédéric Dufour, verzichtet wurde. Rolex beliess es in seiner Pressemitteilung bei der Bemerkung, Jörg Bucherer habe „in Ermangelung direkter Nachkommen die Entscheidung gefällt, sein Unternehmen zu veräussern.“

Die Begründung und die Gründe

Die Erklärung von Rolex, warum man die Verkaufsabsichten des 87-jährigen Bucherer-Inhabers mit Interesse aufgenommen habe, lässt sich auf folgende Kurzform bringen: Man wollte Bucherers Erfolg auch für die Zukunft garantieren und die seit 1924 existierende Partnerschaft fortsetzen. In diesen knappen Zeilen steckt viel Interpretationsspielraum: Ohne Rolex als Kaufinteressentin hätte Jörg Bucherer sein Unternehmen anderweitig verkaufen müssen. Hätte dann ein grosser Luxuskonzern, etwa LVMH, zugegriffen, wäre das für Rolex riskant gewesen. Zwar hätte kein Käufer das beste Pferd im Stall zum Teufel gejagt, trotzdem wäre die Zukunft innerhalb einer neuen Inhaberkonstellation unsicher geworden. Mit anderen Worten: Rolex wollte, weil sie musste.

Ein paar Zahlen

Auf den ersten Blick kann die Übernahme als Defensivstrategie erscheinen: Rolex will sich das einmalige Distributionsnetz von Bucherer auch für die Zukunft sichern. Und dies, auch wenn die Marke aktuell nur in 53 der weltweit 100 Bucherer-Filialen verkauft wird. Rolex selbst hat derzeit, gemäss ihrer Webseite, weltweit 1512 Verkaufspunkte. Die Bucherer-Filialen, in denen Rolex im Angebot ist, entsprechen damit rund 3,5 Prozent der gesamten Rolex-Verkaufspunkte. Der Umsatzanteil, den die Marke via Bucherer jährlich erzielt, dürfte etwas höher liegen und beträgt je nach Schätzung etwa fünf Prozent. Bei einem geschätzten Gesamtumsatz von rund neun Milliarden Franken, entspräche dies etwa 450 Millionen Franken. Bei einer Marge von 100 Prozent käme man auf rund 900 Millionen Franken, die Bucherer 2022 an der Kasse mit Rolex-Uhren umsetzte, was je nach Schätzung etwa der Hälfte des Gesamtumsatzes von Bucherer entspräche.

Mögliche Folgen

Die Mehrzahl der 1512 Rolex-Verkaufspunkte liegt aktuell in den USA (292), gefolgt von Italien (126), Deutschland (122), Festlandchina (100), Grossbritannien (93), Japan (57), Frankreich (53), Hongkong und Spanien (beide je 36), sowie Griechenland und der Schweiz (beide je 32). Auch wenn Rolex angibt, dass die Zusammenarbeit mit den unabhängigen Detaillisten durch die Übernahme nicht beeinflusst werde, ist für die Zukunft davon auszugehen, dass sie bei einigen beendet wird, wie in der Schweiz unlängst in Basel geschehen. Auch in Deutschland und den USA wurden Verträge mit Händlern nicht mehr verlängert. Ein absehbares Szenario ist zudem die Übernahme unabhängiger Geschäfte an Toplagen. Etwa im Stil der im Oktober 2022 erfolgten Übernahme Bucherers des Retailers Leeds & Son in Palm Desert, Kalifornien, einem Rolex- und Patek-Philippe-Händler – wobei Patek Philippe dort seit der Übernahme nicht mehr geführt wird.

Man muss abwarten, was die Übernahme für die Uhrenkonkurrenz bedeutet. Sicher ist, dass man als Marke fortan bei Bucherer nicht mehr den gleichen Stellenwert besitzt, wie die Marke Rolex. Allein margentechnisch ist es für Bucherer künftig unweit lukrativer, eine zweite Rolex oder Tudor zu verkaufen, als eine zweite Omega oder Breitling. Gerade Omega wird sich zwangsläufig reorganisieren müssen, werden doch aktuell einige Flagshipstores der Bieler Marke von Bucherer geführt. In einer Stellungnahme gegenüber Watchpro übte sich der Bieler Konzern zwar in Zweckoptimismus: „Wir gratulieren Rolex zu diesem Kauf, der absolut vorhersehbar war und auch im Interesse der Schweizer Uhrenindustrie liegt. (…) Der Verkauf von Bucherer an ausländische Konzerne oder Private-Equity-Firmen wäre eine sehr schlechte Lösung gewesen“, so die Swatch Group. Hinter den Kulissen dürfte man sich aber bereits mit Strategien befassen, um der neuen Situation zu begegnen.

Die Vermählung Bucherers mit Rolex – und Tudor – kann für die Konkurrenz und gleichzeitig auch für unabhängige Juweliere auch eine Chance sein, sich von deren Einfluss ein Stück weit zu emanzipieren und kreativ nach neuen Lösungen zu suchen. Einfacher ist der Weg für viele Juweliere durch Rolex’ Entscheidung, voll auf Bucherer zu setzen, jedoch nicht geworden.

Marcel Weder

Bild: Auch der grösste Uhrenhändler der Welt, Bucherer, hatte in Luzern einst klein angefangen.

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