Die österreichische Uhrenmarke Carl Suchy & Söhne hat zwei Leben. Ursprünglich gegründet wurde sie 1822 in Wien. Nach einem fast 100-jährigen Dornröschenschlaf hat Robert Punkenhofer die Marke 2017 wieder zum Leben erweckt. Unterstützung hat er dabei vom ehemaligen Nestlé-Chef Peter Brabeck-Letmathe erhalten. Ein Gespräch mit den beiden Uhrenkennern im Umfeld der diesjährigen Baselworld.
Gold’Or: Herr Brabeck, waren Sie schon mal an der Baselworld?
Peter Brabeck-Letmathe: Nein, das ist das erste Mal. Die Frage stellt sich aktuell natürlich, inwieweit Messen per se noch Zugkraft haben. Ich denke aber, dass sie für die Uhrenindustrie wichtig bleiben. Man trifft Menschen, kriegt ein Gefühl dafür, was die anderen machen. Und gerade bei Luxusgegenständen bleibt das Physische, das Sehen, Greifen und Fühlen von grosser Bedeutung. Du kannst noch so oft im Internet recherchiert haben, bevor Du den Kauf machst über einem gewissen Preisniveau, willst Du das Produkt fühlen.
Herr Punkenhofer, wie ist es zur Gründung der Marke Carl Suchy gekommen?
Selber komme ich nicht aus der Uhrenwelt, sondern aus der Diplomatie sowie aus dem Kunst-, Design- und Architekturbereich. Als ich eine Ausstellung über österreichisches Design im Triennale-Museum in Mailand kuratiert hatte, analysierte ich verschiedene historische Marken aus Österreich. Im Zuge dessen bin ich auf die österreichische Marke Carl Suchy gestossen. Je länger ich mich mit ihr beschäftigte, desto überzeugter war ich, dass diese Marke neu belebt werden muss.
Was hat Sie an der Marke fasziniert?
Wir haben einige Zeit im Hofarchiv in Wien und in Prag verbracht und die Geschichte der Marke genau recherchiert. Carl Suchy war über drei Generationen hinweg österreichischer Hoflieferant, und dies die meiste Zeit exklusiv. Bedeutende Personen, darunter Sigmund Freud, Sisi oder Kaiser Franz Joseph, waren ihre Kunden. Zudem verfügte Carl Suchy in Prag, Wien sowie seit 1852 in La Chaux-de-Fonds über eigene Manufakturen. Dank der Zusammenarbeit mit Peter Brabeck ist es uns schliesslich gelungen, die Marke neu zu gründen.
Wie ist es zum Kontakt zwischen Peter Brabeck und Ihnen?
Ich hatte Herrn Brabeck gewissermassen in einem „cold mail“ angeschrieben, auch weil ich wusste, dass er bereits bei einer anderen Uhrenmarke, bei HYT, als Investor engagiert ist. Dabei gilt es zu betonen, dass ich, als das Konzept für die Marke stand, genau zwei Personen angeschrieben hatte: Herrn Brabeck und Herrn Biver, und Herr Brabeck war schneller.
Welche Bilanz ziehen Sie nach rund zwei Jahren auf dem Markt?
Die erste Serie des Modells „Waltz No 1“ umfasste 22 Stück und war deutlich schneller ausverkauft als erwartet. Dieses Feedback hat uns motiviert, den Markenaufbau weiter voranzutreiben und Carl Suchy als schönen Nischenbrand zu positionieren. In einer zweiten Serie fertigten wir 55 Stück, inklusive der fünf skelettierten Modelle, wobei aktuell noch neun Exemplare lieferbar sind. Für 2019 planen wir eine weitere Steigerung. Wir sind stolz, dass es gelungen ist, die Marke in nur zwei Jahren aus der Vergessenheit zu holen. Wir bekommen derzeit viele Anfragen von Sammlern aus aller Welt, die uns schreiben, sie hätten eine Carl Suchy in ihrem Erbe. Das sind schöne Reaktionen, das wäre vor zwei Jahren noch nicht passiert.
Herr Brabeck, was hat Sie an diesem Engagement gereizt?
Peter Brabeck: Ich bin ein Markenmensch. Schon bevor ich CEO war, war ich immer für Marken verantwortlich. Carl Suchy hat mich schnell zu interessieren begonnen. Ich glaube, eine Marke kann nur dann existieren, wenn es eine schöne Geschichte hat. Es war also ein grosser Vorteil, eine Marke zu haben, die über eine solche Tradition verfügt. Neben dieser überzeugenden Markengeschichte war das Engagement für mich auch eine Gelegenheit, mit Österreich wieder eine Verbindung einzugehen, da ich ja seit 1968 nicht mehr dort lebe, noch dazu, weil ich seit meiner Pensionierung etwas mehr Zeit habe.
Hatten Sie die Marke Carl Suchy vorher schon gekannt?
Nein, aber ich habe im Internet recherchiert und Robert Punkenhofer hat mir viel erzählt. Das war sehr wichtig, denn Marken muss man erzählen, hinter Marken braucht es Geschichten. Das alles ist bei Carl Suchy vorhanden, und zwar nicht erfunden, sondern authentisch. Auch die Tatsache, dass wir die Uhren heute wieder in der Schweiz bauen, knüpft an die Geschichte von Carl Suchy an. Diese Marke wiederaufzubauen, ihr neues Leben zu geben, innerhalb einer ganz klaren Definition, das heisst der Wiener Definition, ist sehr reizvoll. Wenn Sie die Uhren anschauen, sehen Sie Einflüsse verschiedener Gestalter, wie Loos, Wagner oder Hoffmann. Genau dies fasziniert mich bei diesem Projekt am meisten, die Herausforderung, eine historische Marke mit neuem Leben zu füllen.
Wo genau werden die Uhren produziert?
Robert Punkenhofer: Die Uhren werden im Atelier von Marc Jenni in Denges produziert und sind 100 Prozent Swiss Made. Die Zifferblätter und die Gehäuse kommen beispielsweise aus La Chaux-de-Fonds. Auch Glas, Zeiger und Leder kommen aus der Schweiz. Die Werke beziehen wir bei Vaucher in Fleurier, bevor Marc Jenni diese modifiziert. Insbesondere die Sekundenscheibe ist eine technisch sehr aufwändige Anpassung.
Warum diese rotierende Scheibe statt des konventionellen Sekundenzeiger?
Peter Brabeck: Bei einer typischen Schweizer Uhr, nehmen wir die Bahnhofsuhr, ist der rote Sekundenzeiger ausschlaggebend, ob der Zug abfährt oder nicht. In Österreich ist die Zeit ein bisschen flexibler. Der Grund, warum wir bei Carl Suchy keine Sekundenzeiger verwenden, hat damit zu tun. Einen Sekundenzeiger anzubringen, wäre viel einfacher gewesen. Die Scheibe zu realisieren, ist technisch wesentlich komplizierter. Der Unterschied ist aber gewaltig. In der Schweiz ist die Sekunde das Wichtigste, in Österreich hat sie einen anderen Stellenwert. Mit der Scheibe ist auf diese Differenz angespielt.
Sie sind auch bei der Uhrenmarke HYT beteiligt. Woher kommt dieses Interesse für die Uhrmacherei?
Bei HYT war mein Interesse an der Technik der Flüssiganzeige ausschlaggebend für mein Engagement. Diese Technik ist hochinteressant und kann auch in anderen Gebieten angewendet werden, etwa in der Medizinaltechnik als Anzeige für sehr gezielte Injektionen. Bei HYT bin ich einer von vielen Investoren, bei Carl Suchy sind nur Robert Punkenhofer und ich engagiert. Generell haben mich mechanische Uhren immer fasziniert. Ich habe selber eine kleine Uhrensammlung. Ich mag diese Uhren und trage sie sehr gern. Elektronische Uhren besitze ich allerdings keine, denn eine der schönsten Sachen ist es, wenn man beim Einschlafen eine Uhr trägt und ihrem Ticken zuhört.