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Bildungsvielfalt in Pforzheim

Als Zentrum der Schmuckfertigung im deutschsprachigen Raum verfügt Pforzheim mit der „Goldschmiedeschule mit Uhrmacherschule“ über eine traditionsreiche Schule für Goldschmiede und Uhrmacher.

Die Goldschmiedeschule mit Uhrmacherschule in Pforzheim zählt weltweit zu den ältesten ihrer Zunft. 2018 feierte sie ihr 250-jähriges Jubiläum. 1768 hatte die Schmuckherstellung in Pforzheim auf Initiative des Markgrafen Karl Friedrich von Baden ihren Anfang genommen, und noch im gleichen Jahr folgte die Eröffnung einer Schule. Diese hat sich im Lauf der Zeit sukzessive erweitert und ist heute ein umfassendes Bildungszentrum, das zahlreiche Lehrgänge in den Bereichen Schmuckfertigung, Design, Gestaltung sowie Uhrmacherei vereint. Derzeit besuchen rund 500 Lernende die Schule, die Zahl der Ausbildenden liegt bei 58. Wie Schulleitungsmitglied Tamara Grüner betont, wird an der Schule ein offenes Klima gelebt. So steht das Unterrichten mit offener Tür im Vordergrund, wobei der Austausch zwischen den einzelnen Disziplinen bewusst gefördert wird. Auch das Fragenstellen und Hilfe einfordern sei ganz wichtig für einen dynamischen Wissensaustausch, so Grüner.

Die Ausbildungen

Insgesamt gibt es acht Ausbildungsbereiche. Dazu gehören 1) eine dreijährige Vollzeitausbildung zum staatlich geprüften Designer im Bereich Schmuck und Gerät, das sogenannte „Berufskolleg Design, Schmuck und Gerät“. Dabei geht es fokussiert um die Gestaltung und Realisierung von Schmuck, aber auch von grösseren Objekten (z.B. Kaffeekanne, Besteck oder Duftfläschchen). Auch die Materialien, mit denen gearbeitet wird, sind vielfältig. Voraussetzung für den Lehrgang ist ein mittlerer Bildungsabschluss, wobei rund die Hälfte der Lernenden über ein Abitur verfügt. Für die Bewerbung muss eine Arbeitsmappe eingereicht und ein künstlerischer Eignungstest absolviert werden. In den letzten Jahren gab es, bei den Designern sowie auch bei den Goldschmieden eine Zunahme der Anmeldungen, so Tamara Grüner, wobei ein Viertel der Bewerbenden am Ende einen der 25 Studienplätze erhält.

2) Im Bereich Goldschmieden gibt es zudem die Berufsfachschule für Goldschmiede, ein zweijähriger Vollzeitlehrgang, in dem sämtliche Techniken, traditionell und modern, erlernt werden. Eine Besonderheit des Pforzheimer Modells ist, dass die Lernenden nach zwei Jahren an der Schule noch 1,5 Jahre Vollzeit in einem Lehrbetrieb absolvieren, was den Vorteil hat, dass die Betriebe mit gut ausgebildeten Lernenden arbeiten. Nach dreieinhalb Jahren wird schliesslich das Gesellenstück realisiert. Das Interesse ist derzeit zunehmend, so Grüner. Aktuell bewerben sich jährlich zwischen 200 und 250 Interessenten um einen der rund 60 Plätze.

3) Als Weiterbildung wird die einjährige Vollzeitausbildung zum Goldschmiedemeister angeboten. Voraussetzung ist eine vollendete Berufskolleg-Ausbildung Design, Schmuck und Gerät; oder ein Berufsfachschul-Abschluss als Goldschmied. Im Fokus des Meisterlehrgangs stehen auch Fächer wie BWL oder Rechnungswesen, die später zur Führung eines Betriebs wichtig sind. Aber auch pädagogisch-didaktische Inhalte zur Arbeit mit Lernenden ist Teil der Ausbildung. Zudem werden traditionelle und moderne Techniken vertieft, dies auch im Hinblick auf die Fertigung des Meisterstücks, für die am Ende der Ausbildung rund zweieinhalb Wochen zur Verfügung stehen. Hier sind aktuell zwölf Plätze vorhanden.

4) Eine weitere Möglichkeit um an der Schule das Meisterdiplom zu erwerben, bietet die zweijährige Fachschule für Gestaltung – Schmuck und Gerät. Im Unterschied zur einjährigen Ausbildung besteht hier etwas mehr Zeit, beispielsweise für Gestaltung und Design. Dazu kommen zusätzliche unternehmerische Praxisinhalte, etwa das Entwickeln eines Flyers, die Schaufenstergestaltung oder die Planung eines Messestands. Am Ende erhalten die Studierenden ein Diplom als staatlich geprüfter Gestalter beziehungsweise den Bachelor Professional mit Fachhochschulreife, der auch bei der einjährigen Meisterausbildung angeboten wird. Hier stehen ebenfalls zwölf Ausbildungsplätze zur Verfügung.

 

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Uhrmacher Gabriel Leicht absolvierte in Pforzheim seine Ausbildung. Er besucht derzeit in Würzburg die Vorbereitungsschule für die Meisterprüfung und arbeitet in Pforzheim in Zusammenarbeit mit seinen ehemaligen Lehrern, darunter Steffen Wolf, an seinem Meisterstück. Hier bei der Fertigung des Zifferblatts für seine Grossuhr.

Duale Berufe

5) Daneben bietet die Schule die Ausbildung zahlreicher Berufe in dualer Lehre an, aktuell sind dies: Goldschmied (3,5 Jahre), Silberschmied (3,5 Jahre), Edelsteinfasser (3,5 Jahre), Uhrmacher (3 Jahre), Graveur (3 Jahre), Metallbildner (3 Jahre), Gürtler (3 Jahre), Werkgehilfe (3 Jahre), Polierer (3 Jahre), Oberflächenbeschichter (3 Jahre), Edelmetallprüfer (3 Jahre) sowie Schmuckwerker (3 Jahre). Spezifische Berufe, etwa Gürtler werden inzwischen weniger nachgefragt, bei anderen, etwa Metallbildner gibt es einen Zulauf. Bei Kernberufen wie Goldschmied ist die Nachfrage aktuell zunehmend, hier musste 2023 eine zweite Klasse eröffnet werden, weil die Zahl von 30 Lernenden überschritten wurde.

6) Im Schmuckbereich existiert an der Schule seit drei Jahren auch eine vierjährige, berufsbegleitende Weiterbildung zum staatlich geprüften Techniker für Galvanotechnik. Meist geht diesem Ausbildungsweg ein Abschluss als Oberflächenbeschichter voraus. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, am Ende ein Meisterdiplom zu erwerben. Derzeit absolvieren rund 15 Absolventen pro Jahrgang die Ausbildung.

7) Seit 2011 bietet die Schule auch eine zweijährige Vollzeitausbildung in Produktdesign mit der Möglichkeit der Fachhochschulreife.

8) Auch der Uhrmacher-Beruf wird in Pforzheim neben der dualen Form als dreijährige Vollzeit-Ausbildung (Rhabilleur) angeboten. Aktuell sind an der Schule fünfzehn Vollzeit-Plätze vorhanden.

Ein Merkmal der Schule ist auch das Angebot der offenen Ateliers. Hier stehen Lernenden gegen eine kleine Gebühr externe Atelierräume zur Verfügung, die sie in der Freizeit für eigene Projekte nutzen können. Damit soll ein Arbeitsumfeld geschaffen werden, das die Lernenden auf ihre berufliche Zukunft vorbereitet. Einmal pro Jahr findet mit einem Partnerunternehmen aus der Region ein Schmuckwettbewerb statt. Zudem wird jährlich zum Jahresanfang das schulinterne Magazin „Creativ“ publiziert, in dem herausragende Schülerarbeiten präsentiert werden. Die Schule wird von der Stadt Pforzheim und dem Bundesland Baden-Württemberg finanziert, und erhebt keine Gebühren. Auch für ausländische Lernende ist die Schule kostenfrei, sofern die Aufnahmeprüfung bestanden wird, sprachliche Voraussetzung ist ein B2-Niveau in Deutsch.

Marcel Weder

goldschmiedeschule.de

Bild: Die Räumlichkeiten der Pforzheimer Goldschmiedeschule an der St. Georgen-Steige wurden 1960 errichtet.

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