Blasinstrumentenbauerinnen, Küfer, Keramikerinnen, Hufschmiede und Goldschmiedinnen haben eines gemeinsam: Sie üben einen seltenen Beruf aus, einen, der zu den Kleinstberufen gehört. Um solche alternative Aus- und Weiterbildungen sichtbar zu machen, wurde 2019 der Verein Netzwerk Kleinstberufe ins Leben gerufen.
Seltene Berufe: Was bedeutet das genau? In der schweizerischen Berufsbildung wird heute dafür mehrheitlich der Begriff „Kleinstberufe“ verwendet. Dieser Begriff umfasst Berufe, in denen es über alle Lehrjahre gesamtschweizerisch maximal 40 Lernende bei einer dreijährigen Ausbildung und 60 bei einer vierjährigen Ausbildung gibt. Von den ungefähr 250 verschiedenen Berufslehren, die in der Schweiz angeboten werden, entsprechen 60 dem Kriterium der Kleinstberufe. Bei diesen gibt es einige Besonderheiten: Sie haben in der Regel nur ein einziges, nationales Ausbildungszentrum, was eine längere Anreise und dafür längere Blockkurse zur Folge haben kann. Zudem können diese Ausbildungen in den Berufsschulen und in den überbetrieblichen Kursen mehrsprachig ablaufen.
Die Kleinstberufe beanspruchen trotz wenig Lernenden eine wichtige Rolle in der Schweizer Wirtschaft. Was würde uns fehlen, wenn wir beispielsweise keine Holzbildhauer, keine Musikinstrumentenbauerinnen, keine Steinbildhauer, keine Ofenbauer, keine Korb- und Flechtwerkgestalterinnen oder keine Hufschmiede hätten? Wer würde ihre Arbeiten fachgerecht ausführen und wer würde das berufliche Know-how weitergeben?
Vielversprechende Zukunft
Vieles würde fehlen. Es braucht die Fachleute in Kleinstberufen, weil vielen Menschen die Uniformierung durch die Massenherstellung nicht gefällt. Diese Kundinnen und Kunden wollen und können sich individuelle Produkte leisten. Die Berufe haben eine vielversprechende Zukunft, denn besondere handwerkliche Fähigkeiten sind stark gefragt. Sie sind weder altmodisch noch vom Aussterben bedroht. Je nach Branche sind es neue Materialien, neue Formen und Gestaltungen oder neue Fertigungstechniken, die aus diesen Berufen moderne, zukunftssichere Berufe machen.
Es stellt sich die Frage, wie die Anforderungen der Zukunft von diesen Berufen gemeistert werden können. Insbesondere im administrativen und organisatorischen Bereich der Berufslehren, der Berufsbildner, der Organisationen der Arbeitswelt oder der Verbände. Hier kommt das „Netzwerk Kleinstberufe“ ins Spiel. In einem mehrjährigen Projekt haben sich Kleinstberufe zusammengetan und verschiedene Aufgabenstellungen bearbeitet. Daraus entstanden sind nebst der Gründung des Vereins mit einem schweizweit gut vernetzten Vorstand auch die Webseite kleinstberufe.ch, ein Marketingkonzept sowie jährliche Tagungen mit Wissenstransfer unter den verschiedenen Berufen. Kleinstberufe konnten sich inzwischen beim Bund und in den Kantonen auch in die Berufsbildungszukunft einbringen.
Grosses Engagement
Gegründet wurde der Verein „Netzwerk Kleinstberufe“ im Jahr 2019. Romain Rosset ist der Präsident. Er war 15 Jahre lang Leiter der Berufsbildung des Verbandes Schweizerischer Schreinermeister und Möbelfabrikanten. Der heute 74-Jährige hat selbst zahlreiche Schreiner ausgebildet und an der Berufsschule unterrichtet. „Solide Grund- und Weiterbildungen waren mir schon immer ein grosses Anliegen“, sagt er. Rosset hat mehrere Lehrreformen geprägt und hat das Eidgenössische Berufsattest EBA für die Schreinerbranche mitentwickelt. Er ist auch mitverantwortlich, dass die Berufsmatura bei den Schreinern Anerkennung gefunden hat.
Die Öffentlichkeitsarbeit gehört zu den wichtigsten Aufgaben des Vereins. Wirksam sind dabei die Vorstellungen der aktuell 23 Kleinstberufe an lokalen Berufsmessen und an den Swiss Skills. In Zusammenarbeit mit den Verbänden sollen mehr Lehrstellen generiert werden. „Nicht nur bei den Goldschmieden ist die Nachfrage nach Lehrstellen grösser als das Angebot“, so Rosset. „Aus diesem Grund werden wir im Frühling in Zusammenarbeit mit dem VSGU und den regionalen Verbänden für Lehrbetriebe eine Veranstaltung organisieren, an der wir aufzeigen wollen, dass es auch heute noch möglich ist, Junge auszubilden und ihnen Fachwissen weiterzugeben“, sagt der rüstige Rentner. „Wer dazu bereit ist, darf mit breiter Unterstützung rechnen.“ Details zu diesen Veranstaltungen folgen.
Daniela Bellandi