Die Victorinox ist weltberühmt. Dies nicht nur für das Schweizer Armeemesser, das seit 1891 hergestellt wird, sondern für Messer aller Art, Reisegepäck, Parfums und vieles mehr. Ein wichtiges Standbein des Schwyzer Traditionsunternehmens sind auch Uhren, die in Delémont produziert werden. Für diesen Bereich ist Arianna Frésard verantwortlich.
Gold’Or: Arianna Frésard, was unterscheidet die Victorinox-Uhren von anderen unabhängigen Marken?
Arianna Frésard: Der grösste Unterschied ist, dass wir keine traditionelle Uhrenmarke sind. Unser Rückgrat, das Schweizer Armeemesser, hebt uns von der Konkurrenz ab. Wir legen grossen Wert auf langlebige Qualität und Vielseitigkeit. Die Details an den Uhrengehäusen sind vom Armeemesser inspiriert. So findet sich beispielsweise der eingravierte Materialcode auf der Seite des Gehäuses, genau wie auf der Hauptklinge eines Messers. Da wir unsere Gehäuse und Komponenten im eigenen Haus fertigen, können wir sicherstellen, dass jedes Detail unseren hohen Standards entspricht und den Qualitätsansprüchen der Marke gerecht wird.
Warum sollte ein Detailhändler Uhren von Victorinox in sein Sortiment aufnehmen?
Als unabhängige Marke steht bei uns die Kundenfreundlichkeit ganz oben. Die Entscheidungswege sind kürzer als bei Konzernen und die Beziehungen sind von Wertschätzung und Respekt geprägt. Unsere Uhrenkollektion vereint durchdachtes, zeitgenössisches Design mit hochwertiger Handwerkskunst. Wir bieten eine vielfältige Auswahl an langlebigen Modellen zu fairen Preisen. Unsere Produkte zeichnen sich durch ein leicht austauschbares System für Armbänder aus, das kein Werkzeug erfordert. Auf alle unsere Modelle gibt es eine fünfjährige, internationale Garantie, die im ersten Jahr auch die Batterie bei Quarzwerken abdeckt.
Wieviel Swissness steckt in den Uhren?
Da sprechen Sie einen wichtigen Punkt an. In unseren Modellen steckt dank der im eigenen Haus produzierten Komponenten über 90 Prozent Swissness, also weit mehr als die 60 Prozent, die für das Label Swiss made erforderlich sind. Dieses Niveau der Inhouse-Produktion findet man normalerweise nur bei Luxusmarken. Wir wollen keine anderen Marken kopieren. Unsere Designs sollen sich durch Originalität und Unverwechselbarkeit abheben.
Wann hat die „Messerfabrik“ mit der Produktion von Uhren begonnen?
Das Watch Competence Center in Delémont wurde 2016 eröffnet. Die Produktion von Uhren begann aber bereits im Jahr 2014 mit der Lancierung der ersten I.N.O.X.-Uhr.
Nach den ersten eher klassischen oder gar etwas konservativen Modellen – wenn ich das so sagen darf – hat sich bei der Formgebung und den Materialien eurer Uhren viel verändert. Wie kam es zu dieser Modernisierung?
Victorinox ist in allen Bereichen für Tradition und Kontinuität bekannt. Aber auch Innovation spielt eine grosse Rolle, besonders in unserer schnelllebigen Welt. So wurden alle unsere Kollektionen kürzlich mit einer komplett neuen Designsprache aktualisiert. Diese ist vom Armeemesser inspiriert. Seit 2020 haben wir sieben neue Kollektionen entwickelt, die den innovativen Geist und unser Engagement für Qualität widerspiegeln. Die erste Lancierung fand 2023 mit der Kollektion Journey 1884 statt. Mit den jüngsten Einführungen der I.N.O.X. und Dive Pro haben wir nun drei neue Kollektionen auf dem Markt. Das bedeutet, dass noch vier weitere Linien geplant sind, die schon bald für spannende Überraschungen sorgen werden.
Welche Produktionsschritte werden intern durchgeführt und was wird zugekauft?
Wir beginnen mit den technischen Entwürfen. Diese führen oft zur Herstellung von Werkzeugen für die Maschinen. Ein Projekt wird innerhalb mehrerer Monate der Entwicklung und Tests umgesetzt. Unsere Inhouse-Produktion ist der Schlüssel zu unserer Qualität: Gehäuse, Komponenten und Werkhalterungen werden intern gefertigt. Für spritzgegossenes Carbon stellen wir auch den Behälter und die Komponenten im eigenen Haus her. Dichtungen und Carbon-Gehäuse beziehen wir aus der Region. So können wir sicher sein, dass sie unseren hohen Standards entsprechen. Zugekauft werden Schweizer Uhrwerke, die strengen Tests unterzogen werden, sowie Zifferblätter, Zeiger und Armbänder. Natürlich erfolgen auch Montage und Endkontrolle im eigenen Haus.
Welche Uhrwerke werden für mechanische Uhren und welche für Quarzuhren verwendet?
Für die mechanischen Uhren verwenden wir Uhrwerke von Sellita und LJP für die neue Kollektion, die 2026 auf den Markt kommen wird. Für die Quarzuhren setzen wir auf Ronda-Werke.
Welche weiteren Materialien werden verwendet?
Unsere Gehäuse sind aus Stahl, Titan und Carbon. Unsere Uhrenarmbänder werden aus hochwertigen Materialien gefertigt, darunter FKM-Gummi, Edelstahl und Paracord, das aus den USA stammt. Künftig wollen wir auch italienisches Leder und europäisches, recyceltes PET für moderne Textilarmbänder verwenden. Damit unsere Uhren mit der höchsten Leuchtkraft ausgerüstet sind, arbeiten wir in diesem Bereich ausschließlich mit Swiss Super-LumiNova® der Firma RC Tritec AG zusammen. Diese bietet die beste Qualität, die es auf dem Markt gibt.
Zu den Trends: Haben Sie auch festgestellt, dass wieder kleinerer Gehäusen gefragt sind?
Ja, das können wir auch beobachten. Kleinere Gehäusegrössen sind sich am Etablieren und werden zu einem wichtigen Bestandteil unseres Sortiments. Wir stehen kurz vor der Einführung der neuen I.N.O.X. mit Automatikmodellen von 41 Millimetern und Quarzvarianten von 32 Millimetern. In der sechsten Kollektion werden wir 2026 zudem Gehäuse von 39 Millimetern anbieten.
Welche sind die stärksten Märkte für Victorinox-Uhren?
Der Schweizer Heimatmarkt ist für uns von grosser Bedeutung und entwickelt sich trotz der starken Konkurrenz äusserst erfolgreich, was uns natürlich freut. Dies zeigt, dass unsere Differenzierung vom Endverbraucher erkannt und geschätzt wird. Unsere stärksten internationalen Märkte liegen in Nord- und Südamerika, sowie in Europa. Zudem sind wir dran, unsere Präsenz in Osteuropa und im Nahen Osten zu stärken.
Wie läuft das aktuelle Jahr?
Abgesehen davon, dass die gesamte Schweizer Uhrenindustrie schon bessere Zeiten erlebt hat, was wir auch spüren, sind unsere Erwartungen bis anhin erfreulicherweise übertroffen worden. Das schreiben wir unserem Relaunch, der guten internen Zusammenarbeit und dem Vertrauen unserer Kunden zu.
Was sind Ihre Pläne für die Zukunft?
Wir wollen unser ursprüngliches Ziel, bis Ende 2026 sieben neue Kollektionen auf den Markt zu bringen, weiterverfolgen. Neben kleineren runden Gehäusen zeichnet sich auch ein Trend von quadratischen Uhren ab. Das wollen wir weiterverfolgen, aber im Moment kann ich dazu noch nicht zu viel verraten. Darüber hinaus arbeiten wir bereits an Lancierungen für 2027, bei denen wir die fortschrittlichsten Techniken zur Produktentwicklung einsetzen werden.
Daniela Bellandi