Katrin, was treibt dich an, am Morgen ins Atelier zu gehen?
Katrin Kunz: Manchmal nicht viel, dann funktioniere ich im Autopilot. Andere Male bin ich hochmotiviert und freue mich auf die Arbeit im Atelier. Das hängt auch von den Aufträgen ab, die ich anpacken will oder sollte.
Was gefällt dir am Goldschmiede-Beruf am besten?
Die Abwechslung. Ich arbeite gerne projektbezogen und liebe es, immer wieder Neues zu erfinden. Dazu gehören nicht nur der gestalterische Aspekt, sondern auch die passende Technik. So wird der Goldschmiede-Alltag nie langweilig.
Was kannst du besonders gut?
Ich kann gut improvisieren, das gilt für jeden Lebensbereich. Wenn etwas nicht so läuft, wie ich es mir vorgestellt habe, kann ich mich schnell mit der Situation abfinden und das Beste daraus machen. Oft gibt es kein Wenn und Aber, sondern man muss sich einfach dem Moment stellen und mit Feingefühl herausfinden, was zu tun ist.
Wie oder wo findest du einen Ausgleich zum beruflichen Alltag?
Ich habe ein ziemlich wildes Hobby: Ich bin Wrestlerin. Momentan sind wir eine Gruppe von zehn Frauen und zwei Männern. Wir verteilen spektakuläre Backpfeifen und Maulschellen und schreien uns aus voller Kehle an. Das ist ein idealer Ausgleich zu meiner ruhigen „Nöpperliarbeit“ an der Werkbank. Mit 158 Zentimeter Länge bin ich das Fliegengewicht in der Gruppe. Ich musste ordentlich Muskelmasse zulegen, um genügend Körperspannung zu haben und stabil zu sein. Im Training üben wir beispielsweise, wie man hinfällt, ohne sich ernsthaft zu verletzen. Ich liebe das Theatralische, die Show, den Adrenalinkick und die sportliche Herausforderung, die nicht zu unterschätzen ist.
Als Kind wolltest du sein wie?
Die Rote Zora: Ich war eine Leseratte und das war mein absolutes Lieblingsbuch. Das hat sicher damit zu tun, dass ich in einem abgelegenen Weiler im Luzerner Napfgebiet, aufwachsen durfte. Wir hatten alle Freiheiten der Welt und fühlten uns stark wie die wilde Bande der Roten Zora.
Wofür gibst du unnötig viel Geld aus?
Ich kann kaum bei einer Papeterie vorbeilaufen, ohne reinzugehen und schöne Stifte oder Washi-Tapes zu kaufen. Ich habe bereits eine ganze Schublade voll und trotzdem entdecke ich immer wieder eins, das ich noch nicht habe.
Welches war das nachhaltigste Geschenk, das du jemals bekommen hast?
Das beste Geschenk habe ich mit etwa vier Jahren bekommen, ein einfaches Victorinox-Sackmesser. Mit den Kindern des benachbarten Bauernhofs bin ich damit durch die Wälder und über die Felder gezogen. Es begleitet mich auch heute noch überallhin, zusammen mit Schnur und Zündhölzli, und es war schon oft wirklich praktisch.
Was würdest du deinem 20-jährigen Ich mit auf den Weg geben?
Ich würde sagen, eine Note 4 reicht, du brauchst keine 6. Man sollte die Ansprüche an sich selbst nicht unerreichbar hoch stellen. Das soll nicht heissen, dass ich nicht mein Bestes gebe. Jeder Mensch hat Talente und Bereiche, in denen er sich wohlfühlt und vielleicht besser ist als andere. Ich will mich dem Leistungsdruck der heutigen schnellen Welt nicht mehr unterwerfen, denn gesund bleiben wir nur, wenn wir auch mal „das Füfi grad sein lassen können“.
Was macht gute Laune?
Frische Luft, die Aussicht auf einem Berggipfel, Wind im Haar und Sonne im Gesicht.
Zum Schluss darfst du noch wünschen, wen wir in dieser Serie als nächstes befragen sollen.
Da kommt mir Sophie Mia Willener in den Sinn. Ihre Bachelorarbeit zum Thema sichtbare Hörgeräte hat mich fasziniert. Die Ojekte sind nicht nur schön, sondern auch durchdacht und funktionell. Die Fähigkeiten hat sich Sophie Mia nicht in einer Goldschmiedelehre angeeignet, sondern während des dreijährigen Studienganges XS-Schmuck an der Hochschule Luzern.
Daniela Bellandi