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Gemischte Bilanzen

Die erste Genfer Wunderwoche, wie die Messewoche rund um die Watches & Wonders von manchen gerne bezeichnet wird, ist Geschichte. Und die Bilanzen fallen unterschiedlich aus.

Das Hauptproblem des Genfer Messeplatzes ist schnell beschrieben. Während die verstorbene Baselworld gemeinhin als Uhren- und Schmuckmesse bezeichnet worden war, ist die Watches & Wonders (WW) eine reine Uhrenmesse und will dies auch bleiben. Nicht ohne Stolz schreiben die Organisatoren in ihrem Schlussbericht, dass die „grösste, jemals in Genf organisierte Uhrenmesse ihre Tore mit einer positiven Bilanz schliesst“. Die Lücke, die die Baselworld in der Schweiz hinterlässt, kann und will von der Genfer Messe nicht geschlossen werden.

Hinter den Kulissen sind zwar seitens einiger Aussteller Wünsche vorhanden, dass auch der Schmuck in den Palexpo-Hallen ein Plätzchen finden soll, gerade die Gruppen Richemont und LVMH, die den Löwenanteil der an der WW präsenten Uhrenmarken stellen, dürften jedoch nur ein marginales Interesse daran haben, einer Vielzahl an Schmuckmarken ein Silbertablett zu reichen. Wohl nicht zuletzt deshalb, weil sie mit Marken wie Tiffany’s, Bulgari, Boucheron, Cartier und Van Cleef & Arpels Juweliere im Portfolio haben, die sich selbst genug sind.

Mehr Marken?

Immerhin liess Jean-Fréderic Dufour, der Geschäftsführer der umsatzstärksten ausstellenden Uhrenmarke, Rolex, während der Eröffnung der WW verlauten, dass die Zahl der Marken im nächsten Jahr erhöht werden soll. Diese Erhöhung dürfte allerdings vor allem den Uhrenbereich betreffen. Hier bleibt abzuwarten, inwieweit die parallel im Campus der Schule HEAD organisierte „Time to Watches“ im nächsten Jahr prominente Namen in Richtung Palexpo ziehen lassen muss. Die Messe, die dieses Jahr rund 35 Marken versammelte, dürfte aber ihr Potenzial noch nicht ausgeschöpft haben. Die Co-Organisatoren von Time to Watches, Marc Angébaud und Christian Wipfli von der Messefirma Poseidon, sind jedenfalls zuversichtlich, dass sich das Format im nächsten Jahr deutlich vergrössern wird.

Den Schmuckherstellern bleibt derzeit nichts anderes übrig, als im Rahmen von Privatveranstaltungen in Genfer Hotels ihre Kunden zu empfangen. Eine Form, die für die Besucher zweifellos nicht ideal ist. Je nach Marken-Portfolio konnte es einem Fachhändler nämlich passieren, dass er zwischen vier verschiedenen Orten hin und her fahren musste. Von Zeiteffizienz kann hier keine Rede sein. Es wäre im Sinne der ganzen Branche, sprich der Uhren- und Schmuckbranche, wenn dieser Verzettelung der Lokalitäten im nächsten Jahr entschieden entgegengetreten wird. Eine übergeordnete Instanz, die solche Bestrebungen koordinierte oder gar anführte, ist allerdings nicht in Sicht.

Alte Paläste

Wer die Hallen der WW betrat, steuerte – aus Neugier oder unweigerlich – meist als erstes die Stände der beiden Ikonen der Messe, Rolex und Patek Philippe, an. Bei den meisten Besuchern machte sich dabei ein Déjà-Vu-Erlebnis breit, waren die Stände doch weitgehend jene seinerzeit in Basel verwendeten. Diese Palastkultur wirkt nicht zuletzt mit einem zeitlichen Abstand von drei Jahren – die letzten grossen Uhrenmessen fanden in der Schweiz 2019 statt – etwas in die Jahre gekommen. Wenn sich bei den grossen Marken ohnehin die Frage aufdrängt, ob diese eine pompöse Messe im Stil der WW noch nötig haben, dann kann umso mehr gefragt werden, ob es diese riesigen Paläste heute noch braucht. Wäre nicht eine klare Konzentration auf das Produkt Uhr selber nicht effizienter und vernünftiger? In eine positive Richtung geht an der WW dabei der Messebereich „Carré des horlogers“, der kleinere Hersteller versammelt. Viele von ihnen, wie H. Moser & Cie., Laurent Ferrier oder Ressence, waren bereits 2019 an der SIHH präsent, was im Sinne der Kontinuität als positives Zeichen zu deuten ist. Gerade für kleinere Anbieter wäre es aber dringend wünschenswert, wenn die Besucherpolitik in Richtung B2C ginge, so wie das in Basel seinerzeit Usus war.

40 Prozent weniger Besucher?

Die WW-Organisatoren wiesen in ihrem Schlussbericht rund 22’000 Besucher aus. Obwohl praktisch keine Fachbesucher und Journalisten aus Asien angereist waren, läge die Zahl damit nur unmerklich unter jener von 2019 (23’000). Hinter die Zahl kann aber sicher ein gewisses Fragezeichen gesetzt werden, so kursierten während der Messe Gerüchte, dass die Zahl gegenüber 2019 um bis zu 40 Prozent abgenommen haben soll. Wie häufig liegt die Wahrheit hier vermutlich irgendwo in der Mitte.

Wie hoch ist hoch genug?

Ein Streifzug durch die in Genf präsentierte Uhrmacherei offenbarte gleichzeitig, dass die Uhr für jedermann – oder jedefrau, in der Schweizer Uhrmacherkunst derzeit einen schweren Stand hat. Wer nach Uhren suchte, die sich unterhalb der 10’000-Franken-Schwelle positionieren, hatte kein leichtes Spiel. Dass diese Preisspirale nach oben in der Schweizer Uhrenindustrie je länger je mehr zu einer dominierenden Realität wird, ist als Symptom zur Kenntnis zu nehmen. Die Frage bleibt, was mit dem Messeplatz Genf geschieht, wenn die grossen Ikonen sich plötzlich von ihm abwenden. Das Schicksal der Baselworld könnte dann auch Genf sehr schnell blühen, wenn man sich nicht darauf besinnt, dass die Uhrenindustrie, aus der Schweiz oder international, mehr ist, als ein blosses Hochschrauben der Preisspirale. Denn eines ist sicher, was die Kosten für Hotels und Messestände betrifft, unterscheidet sich Genf nur unmerklich von Basel. Überteuerte Zimmerpreise und gesalzene Restaurantrechnungen sind auch in Genf eine Schweizer Spezialität geblieben.

Marcel Weder

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