Des einen Glück, des anderen Leid. Der Spruch mag in die Jahre gekommen sein, auf die Schweizer Uhrenindustrie passt er derzeit mustergültig. Und ob die Fokussierung auf die Haute Horlogerie der Schweizer Uhrenindustrie Glück oder Leid bringt, muss sich ebenfalls noch zeigen.
Die Messinstrumente im Cockpit der Schweizer Uhrenindustrie bewegen sich derzeit alles andere als in synchroner Harmonie. Rein frankenmässig zeigen die Zeiger gemessen an den Exportzahlen zwar nach oben und bieten Anlass zum Jubeln. Der Zeiger für die Zahl der exportierten Uhren weist aber seit zehn Jahren steil nach unten. So ist nicht klar, was lauter ist, der Jubel über die Rekordwerte, oder das Trudeln der Maschine, die immer weniger Zeitmesser produziert.
Insgesamt wurden 2021 Uhren und Bestandteile im Rekordwert von 22,296 Milliarden Franken exportiert, das sind 2,7 Prozent mehr als gegenüber dem „Vor-Coronajahr“ 2019. Die Differenz zum bisherigen Rekordwert aus dem Jahr 2014 fiel mit einem Plus von 0,1 Prozent zwar nur hauchdünn aus, aber gemessen am langsamen Start ins Coronajahr und einer durchzogenen Bilanz in Kontinentaleuropa erscheint das Ergebnis trotzdem positiv.
USA und China im Höhenflug
Grösster Zielmarkt waren 2021 die USA mit einem Einfuhrwert von 3,078 Milliarden Franken (+27,8% vs. 2019). China legte noch stärker zu (+48,8% vs. 2019) und kam auf 2,967 Milliarden Franken. Fünftgrösster Markt, und damit stärkster europäischer Markt, war Grossbritannien mit 1,334 Milliarden Franken (-2,4%). Von den weiteren grösseren europäischen Märkten büssten Deutschland (-5,9% vs. 2019), Frankreich (-11,2% vs. 2019), Italien (-11,5% vs. 2019) und Spanien (-12,9% vs. 2019) allesamt ein, nur die Niederlande konnten mit einem Plus von 12,6 Prozent zulegen.
„Noch nie so viele Uhren exportiert“
Inwieweit Realität und Aussenwahrnehmung derzeit auseinanderklaffen, beweist der Staatssender SRF, wenn er die Schweizer Uhrenexporte 2021 mit den Worten kommentiert, es seien „noch nie so viele Uhren exportiert“ worden. Richtiger wäre es, zu schreiben, dass noch nie so wenige Uhren für so viel Geld exportiert worden sind. Lag die Stückzahl exportierter Uhren 2019 noch bei 20,6 Millionen schrumpfte sie 2021 4,9 Millionen Stück beziehungsweise um fast 24 Prozent auf 15,7 Millionen Stück. Im gleichen Zeitraum hat sich der Durchschnittswert pro exportierter Uhr um 36 Prozent von 991 auf 1349 Franken erhöht. Der Exportrekord verdankt sich also vor allem dieser Preiserhöhung.
Der Schwund bei den Stückzahlen ist vor allem bei den elektronischen Uhren erfolgt, dort ist die Zahl von 13,4 auf 9,4 Millionen zurückgegangen, sprich um fast vier Millionen Stück. Zum Vergleich, vor zehn Jahren (2011) wurden noch 23,6 Millionen Stück elektronische Uhren verkauft, beziehungsweise fast 30 Millionen insgesamt. In zehn Jahren hat sich die Stückzahl exportierter Uhren also um fast 50 Prozent (von 29,7 auf 15,7 Millionen) reduziert, während der Durchschnittswert pro exportierter Uhr in den letzten zehn Jahren von 608 auf 1349 Franken gestiegen ist – bei den mechanischen Uhren von 2146 auf 2905 Franken.
Die Frage ist, ob dieser Rekord gut oder schlecht ist. Für jene, die sich auf teure Uhren spezialisiert haben, mag er gut sein, für alle anderen wird die Luft dünner. Man kann dieses Problem zwar schönreden oder ignorieren, aus der Welt ist es damit nicht. Solange die hohen Preise noch bezahlt werden, fährt die Industrie als Ganzes nicht schlecht mit dieser Haute-Horlogerie-Strategie. Die Frage stellt sich, was passiert, wenn dies einmal nicht mehr der Fall ist.
Swatch Group zurück auf Kurs
Nach dem „Hiobsjahr“ 2020 konnte die Swatch Group 2021 wieder annähernd an die alte Stärke anknüpfen. Gegenüber 2020 wurde der Umsatz um 30,7 Prozent auf 7,313 Milliarden Franken gesteigert. Und auch der Konzerngewinn fiel mit 774 Millionen Franken erfreulich aus, nachdem im Vorjahr ein historischer Verlust von 53 Millionen bilanziert werden musste. Die Nettomarge betrug 10,6 Prozent. Mit Blick auf 2019 bleibt die Bilanz allerdings durchzogen: 11,3 Prozent lag der Umsatz 2021 unter dem Jahr 2019, in welchem die Swatch Group letztmals mehr als acht Milliarden Franken (8,243) erzielt hatte. Immerhin, zu konstanten Wechselkursen hätte der Umsatzrückgang gegenüber 2019 nur 7,4 Prozent betragen, und im letzten Quartal hätte zu konstanten Wechselkursen sogar ein leichtes Umsatzplus resultiert (ggb. 2019). Ebenfalls positiv für die Swatch Group ist, dass sie in den grossen Märkten Festlandchina und USA im Jahr 2021 Rekordumsätze erzielen konnte. Insgesamt zeigt die Tendenz bei der Swatch Group nach oben. Gegenüber dem bisherigen Rekordjahr 2013, als ein Umsatz von 8,82 Milliarden Franken erzielt worden war, lag das Bieler Unternehmen im vergangenen Jahr allerdings um 17,1 Prozent tiefer. Anfang Oktober hatte Nick Hayek in einem Interview mit SRF verlauten lassen, dass man 2022 wohl einen neuen Umsatzrekord erzielen werde. In der Umsatzmitteilung vom 25. Januar spricht die Swatch Group für das Jahr 2022 von „sehr guten Chancen für ein Umsatzwachstum im zweistelligen Bereich“. Um einen Rekord zu erzielen, müsste demnach gegenüber 2021 eine Umsatzsteigerung von mehr als 17,1 Prozent erreicht werden. (mw)
Titelbild: Die Schweizer Uhrenindustrie verbuchte 2021 einen Exportrekord, wachsend ist aber nur das obere Preissegment.