Lesezeit

6m 7s

Share

Zukunft des Handels, Teil 2

Immer mehr Uhren- und Schmuckmarken suchen auch online den direkten Verkaufskontakt zu den Endkunden. Die Art und Weise wie dies geschieht, ist dabei sehr unterschiedlich. Eine Schweizer Marktübersicht mit Beispielen verschiedener Uhren- und Schmuckmarken.

Es gibt sie noch, die Puristen, die den Verkauf jenen überlassen, die es am besten können, den unabhängigen Fachhändlern. So etwa begründet Thierry Stern, Präsident von Patek Philippe, seinen Entscheid, auf den Online-Verkauf zu verzichten. Aus dem selben Grund ist Stern bislang auch nicht ins Monobrandstore-Geschäft eingestiegen. Zum Vergleich: Omega hatte im Jahr 2000 an der Bahnhofstrasse in Zürich den weltweit ersten Monobrandstore eröffnet.

Auch Rolex, die punkto Umsatz weltweit grösste „mechanische“ Uhrenmarke, hat den Online-Schlüssel nie gedreht. Die beiden Genfer Ikonen weisen zwar den Preis der jeweiligen Uhrenmodelle auf ihrer Webseite aus und listen die Fachhändler auf, die sich in der Nähe befinden, eine direkte Bestellmöglichkeit oder anderweitige Funktionen wie „Click & Collect“ sind nicht gegeben. Gerade im Fall von Rolex gibt es Experten, die davon ausgehen, dass sich der Umsatz der Marke deutlich erhöhen würde, wenn man den Verkauf auf den Online-Bereich ausdehnte. Dass beide Marken Tradition und Fachhändlertreue höher werten, spricht für eine langfristige Strategie.

Viele Uhrenmarken abwartend

Bei der Bieler Marke Omega scheint es so, dass die Wunschstrategie noch nicht vollends umgesetzt ist. Wer via Schweizer Standort auf die Omega-Webseite zugreift, kann anders als seit 2017 in den USA, die einzelnen Uhren dort nicht direkt bestellen, erfährt aber den Modellpreis und kann „eine Boutique kontaktieren“. Dabei werden jeweils nur Omegas eigene Boutiquen angezeigt, während unabhängige Konzessionäre nicht erscheinen. Dass es auch anders geht, beweisen Zenith und Hublot, die bei Modellinteresse alle Standorte anzeigen, das heisst nicht nur die markeneigenen Boutiquen.

Keinen Schweizer Online-Shop bieten derzeit auch die Richemont-Marken Panerai, Jaeger-LeCoultre, Vacheron Constantin,  Piaget und Lange & Söhne. Bei diesen „Maisons“ besteht lediglich die Möglichkeit, direkt telefonisch mit einem Verkaufsberater der Marke in Verbindung zu treten und die Uhr anschliessend in einer Markenboutique zu begutachten. Auch Breitling hat den Online-Knopf in der Schweiz noch nicht gedrückt, ist aber – im Gegensatz zu Omega – immerhin (noch) bereit, auch unabhängige Konzessionäre auf der Webseite als Anlaufstelle aufzulisten.

Richemonts Offensivkraft

Deutlich offensiver ist die Schaffhauser Marke IWC, die auch in der Schweiz bereits einen Online-Shop aktiviert hat. Der Kunde kann jede Uhr direkt online bestellen und sie nach Hause liefern lassen. Konzessionäre gehen vollends leer aus. Gleiches gilt auch bei anderen Uhrenmarken, etwa bei Cartier, die ohnehin kaum noch Konzessionäre kennt und bei der von der Schweiz aus auch das Schmucksortiment direkt online verfügbar ist. Ebenfalls einen Schweizer Webshop besitzt die LVMH-Uhrenmarke Tag Heuer, etwa die Hälfte der Modelle sind dort online verfügbar. Im oberen Preissegment sind IWC, Cartier und Tag Heuer derzeit die einzigen bekannten Marken, die in der Schweiz einen Online-Shop anbieten.

Mittleres und unteres Preissegment

Anders präsentiert sich die Situation im mittleren und unteren Preissegment. Hier ist die Zahl der Marken, die einen eigenen Online-Shop aufgeschaltet haben, grösser, bleibt aber insgesamt ebenfalls überschaubar. Auffällig ist, dass bei der Swatch Group in der Schweiz derzeit nur Tissot und Swatch einen eigenen Online-Shop betreiben. Beide Marken bieten eine Art „Click & Collect“-Möglichkeit an. Bei Tissot kann der Kunde die Uhr bei einem Fachhändler nach Wahl begutachten und kaufen, wobei in diesem Fall die Marge für den Juwelier kleiner ist. Swatch wiederum bietet diese Möglichkeit nur für eigene Boutiquen an. In Lauerstellung präsentiert sich Rado: in der Schweiz ist die Lengnauer Marke online noch nicht verfügbar, dafür aber in Österreich und Deutschland. Es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis Rado auch hierzulande einen eigenen Shop aufschaltet. Die weiteren Swatch-Group-Marken Longines, Certina, Hamilton, Mido und Balmain haben den Online-Schritt ebenfalls noch nicht gemacht.

Im Gegensatz zur Swatch-Group ist bei vielen unabhängigen Uhrenmarken zu beobachten, dass mittlerweile ein Shop angeboten wird, so etwa bei Fortis, Atlantic, Delma oder auch bei der Schwarzwälder Marke Junghans. Neben Junghans arbeiten mittlerweile viele bekannte deutsche Uhrenmarken mit einem Webshop, jedoch mit unterschiedlicher Strategie. Meistersinger bietet auf ihrem Online-Shop neben der Heimlieferung auch die Möglichkeit, dass der Kunde die Uhr bei einem Fachhändler hinterlegt. Wählt der Kunde diese Option, erhält der entsprechende Juwelier eine rund 20 Prozent kleinere Marge als sonst. Und auch wenn ein Kunde die Uhr direkt online nach Hause bestellt, wird derjenige Juwelier, der sich am nächsten beim Wohnort des Kunden befindet, mit dieser Marge entschädigt. Weil Meistersinger den Kauf im Geschäft bevorzugt, erhält der Endkunde bei einem solchen zusätzlich eine Meistersinger-Tischuhr als „Goodie“. Die Marke Nomos Glashütte wiederum kann als Pionier in Sachen Online-Shop bezeichnet werden, bietet sie doch schon seit rund zehn Jahren einen Endkundenshop an. Eine Bestellung ins Fachgeschäft ist im Webshop bei Nomos jedoch nicht vorgesehen.

Viele Unabhängige sind shoplos

Viele unabhängige Uhrenmarken sind in der Schweiz aber nach wie vor mit keinem eigenen Shop vertreten, darunter beispielsweise Eberhard & Co., Oris, Louis Erard, Edox, Claude Bernard, Roamer oder Boccia Titanium. Das Gleiche gilt auch für den gesamten Schmuckbereich: Hier arbeiten die namhaften deutschen Schmuckhersteller Wellendorff, Gellner, Schaffrath, Isabelle Fa oder Niessing allesamt ohne Webshop. Niessing bietet den Kunden einzig die Möglichkeit, online einen Termin beim Wunschhändler zu vereinbaren.

Etwas anders präsentiert sich das Bild im Schmuckbereich bei den „Brands“. Cartier hat wie erwähnt, sowohl bei den Uhren wie beim Schmuck, einen Webshop. Gleiches gilt für Ole Lynggaard, die nebenbei erwähnt, ihre Konzessionäre auf ihrer Webseite nicht mehr erwähnen, sondern nur die eigenen Boutiquen auflisten. Ebenfalls einen Webshop besitzt Pomellato, wobei dort neben den Boutiquen nach wie vor auch auf die unabhängigen Händler verwiesen wird.

Online only

Ein neues Phänomen sind Marken, die ausschliesslich online verfügbar sind. Ein Beispiel ist die Lengnauer Uhrenmarke Formex, die 2017 ihre Zusammenarbeit mit den Fachhändlern beendet hat und ihre Modelle nur noch im eigenen Webshop anbietet. Dabei wurden die Endpreise entsprechend der Margeneinsparung nach unten angepasst. Den gleichen Schritt hat im Sommer 2019 auch die Uhrenmarke Catorex gewagt. Ob dieses Modell Schule macht, ist fraglich. Für den Endkonsumenten entstehen zwar grosse Preisvorteile, andererseits besteht keine Möglichkeit der Begutachtung in einem Geschäft. Zudem ist der Schritt nahezu unumkehrbar. Wie will man den Kunden bei einer Rückkehr zum alten System erklären, dass man die Preise nun wieder um 100 Prozent erhöht?

Die Zukunft wird verschiedene Varianten vorsehen: Vor allem im Schmuck wird es nach dem Vorbild von Rolex und Patek Philippe weiterhin viele reine Offline-Marken geben. Das dominierende Modell dürfte vermutlich das von Tissot und Meistersinger praktizierte sein, bei dem die Markenshops auf ihre Boutiquen verweisen und die Kunden die Uhren im Click & Collect-Verfahren im Fachgeschäft ihrer Wahl reservieren können. Die Händler bleiben so beteiligt, allerdings mit geringerer Marge.

Der grösste Online-Umsatz wird in Zukunft aber wohl über Händlerplattformen erzielt. Das können Hybrid-Modelle sein, also Geschäfte, die sowohl online wie offline arbeiten, oder aber auch reine Online-Anbieter. Dazu mehr in Teil 3 in einer folgenden Gold’Or-Ausgabe.

Bild: Längst noch nicht jede „Brand“ hat in der Schweiz einen eigenen Webshop aktiviert.